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«Man spürt den Klimawandel im Wein»

Das Veneto, eine traditionsreiche Weinregion Italiens, steht vor grossen Herausforderungen. Der Klimawandel verändert das Wetter und damit auch den Wein. Winzerinnen und Winzer müssen sich anpassen, um weiterhin qualitativ hochwertige Weine zu produzieren.

Artikel von Olivier Geissbühler

Bereits vor 40 Jahren waren die Fasolis Pioniere im biologischen Weinbau – und diese Pionierrolle verkörpern sie immer noch mit voller Leidenschaft. Natalino Fasoli, Delinat-Winzer in Colognola ai Colli, zeigt in diesem Video, wie nachhaltige Anbaumethoden mit PIWI-Sorten, Biodiversität und Agroforst den Weinbau der Zukunft in seiner Region sichern können.

Die spürbaren Auswirkungen des Klimawandels

Die Wetterextreme nehmen zu: Lange Dürren wechseln sich mit heftigen Regenfällen ab, Hagelstürme und unerwartete Frostperioden bedrohen die Ernten. Früher lag das Ziel für Amarone-Weine bei etwa 14% Alkohol. Heute sind 16% oder mehr keine Seltenheit – ein klares Zeichen für steigende Temperaturen.

Früher gab es stabilere Jahreszeiten, heute sind die Sommer unberechenbar. Die Winzer können nicht mehr sicher planen. Die zunehmende Hitze führt dazu, dass die Trauben schneller reifen, was das Aroma und die Säurebalance der Weine beeinflusst. Doch es gibt nachhaltige Lösungen, um den Weinbau widerstandsfähiger zu machen.

PIWI-Sorten: Eine Antwort auf den Klimawandel

Das Delinat-Weingut Fasoli setzt deshalb neuerdings auch auf PIWI-Reben (pilzwiderstandsfähige Sorten). Diese robusten Rebsorten sind widerstandsfähiger gegen Krankheiten wie Mehltau und benötigen deutlich weniger Pflanzenschutzmittel.

Grosse ökologische Fortschritte wurden bereits erreicht: Während früher bis zu 25 kg Kupfer pro Hektar eingesetzt wurden, sind es bei Fasolis heute nur noch rund 2,5 kg. Ziel bei Delinat ist es, den Einsatz weiter zu minimieren – auch wenn es derzeit noch keine vollständige Alternative zu Kupfer gibt. PIWI-Sorten helfen jedoch dabei, den Kupfereinsatz weiter zu reduzieren.

Biodiversität zurück in den Weinberg bringen

Ein artenreicher Weinberg ist widerstandsfähiger gegen Krankheiten und extreme Wetterereignisse. Früher waren Bäume und Hecken ein natürlicher Teil der Weinberge, heute sind viele dieser Elemente verschwunden. Die Familie Fasoli geht mit gutem Beispiel voran: Das Weingut schafft gemäss den Delinat-Richtlinien gezielt Biodiversitäts-Hotspots, in denen Blumen, Kräuter und Leguminosen wachsen und Insekten, Vögel und andere Tiere einen Lebensraum finden.

Ein gesunder Weinberg ist ein lebendiger Weinberg. Pflanzenvielfalt im Boden fördert die Humusschicht, speichert Wasser und verbessert die Bodenqualität – ein entscheidender Faktor in Zeiten häufiger Dürreperioden.

Agroforst: Bäume im Weinberg als natürliche Klimaregulatoren

Ein weiteres zukunftsweisendes Konzept ist der Agroforst – die bewusste Integration von Bäumen in die Weinberge. In früheren Zeiten spendeten Bäume Schatten und sorgten für ein ausgeglicheneres Mikroklima. Heute kehrt man zu diesem Prinzip zurück.

Zwar reduziert das Pflanzen von Bäumen zu Beginn leicht die Produktivität der Rebflächen, doch der langfristige Nutzen überwiegt: Bäume bieten Schutz vor extremer Hitze, reduzieren Wasserverdunstung und schaffen Lebensräume für Nützlinge. Fasolis pflanzen daher gezielt Bäume zwischen den Reben, um den Weinberg langfristig an die veränderten Klimabedingungen anzupassen.

Fasolis kombinieren Tradition mit nachhaltiger Innovation

Die Herausforderungen des Klimawandels sind nicht zu übersehen, doch innovative Weingüter wie das Weingut Fasoli zeigen, dass nachhaltiger Weinbau die Antwort sein kann. Durch den Einsatz von PIWI-Sorten, den Schutz der Biodiversität und Agroforst-Methoden wird der Weinbau auch in schwierigen Regionen widerstandsfähiger und langfristig gesichert.

Die Zukunft liegt nicht in der Maximierung der Produktivität, sondern in der klugen Anpassung an die Natur. Der respektvolle Umgang mit dem Boden, den Pflanzen und den Tieren ist essenziell, um auch in den kommenden Jahrzehnten exzellente Weine aus dem Veneto geniessen zu können. Oder mit den Worten von Natalino gesagt: «Man muss nicht zu gross denken, sondern sich selber und das Mikroklima, in dem man lebt, verändern».

Transkript
Wir befinden uns in Colognola ai Colli, auf der Azienda agricola “Fasoli Gino”. Dies ist ein Grundstück namens "La casetta". Hier werden Garganega-Trauben produziert, also Trauben, die sehr typisch für das Soave-Gebiet sind. Und hier haben wir einen Weinberg mit geschichtsträchtigen Reben. Dieser Rebstock wurde von meinem Vater gepflanzt, vor vielleicht 55 oder 60 Jahren. Hier sieht man, es ist ein Rebstock, der vielleicht sieben oder acht Knospen hat. Er produziert grosse Qualität. Natürlich ist er ein bisschen müde, wie ich, weil er viel erlebt hat in der Vergangenheit. Kalte Winter, Dürren, Hagelstürme und viel Regen. Und er ist immer noch hier und liefert Ertrag. Die produzierten Trauben werden in den Keller gebracht. Und dann verarbeitet, und dann kommen sie auf euren Tisch. Auch dank Delinat und ihrer Arbeit. Unsere Geschichte ist lang, sie beginnt mit meinem Grossvater Anfang des 20. Jahrhunderts. Dann folgte mein Vater, Gino. Er begann, aus den Trauben auch selber Wein zu machen. Und in den 80er-Jahren, als mein Bruder und ich angefangen haben, sogar schon ein bisschen früher, haben wir gesehen, was in der Landwirtschaft schief lief, es wurden viele Pestizide verwendet. Mein Vater hatte bereits grosse Probleme wegen dem Einsatz dieser chemischen Produkte. Sie gelangten durch die Haut ins Blut. Er wurde also wirklich vergiftet durch seine Arbeit. Er hielt diese Produkte auch nicht für etwas Gutes, im Gegenteil, denn er hatte immer grossen Respekt vor dem Boden, dem Land und den Tieren. Deshalb haben wir gesagt: Versuchen wir diese neue Art von Weinbau. Zu diesem Zeitpunkt war Bio wirklich ganz am Anfang. Und wir haben aufgehört, Pestizide zu verwenden. Und wir haben das wiederhergestellt, was in den zwanzig Jahren zuvor zerstört wurde. Heute bedeutet das für mich: Ein Lebensart, das heisst ein Bewusstsein über die eigene Arbeit, eine Ethik. Diese Ethik geht heute mit dem Business-Denken oft etwas verloren. Sich treu zu bleiben und respektvoll zu arbeiten ist nicht einfach. Es braucht Mut. Es braucht auch den Wunsch, alles, was dich umgibt, zu respektieren. Hier sehen wir, es gibt Kräuter, Hülsenfrüchte, alles wächst wild, Blumen blühen etc. In ein paar Tagen werden die Bienen kommen. Du gibst Leben und ermöglichst den Lebewesen die mit uns leben und arbeiten, eine gesunde Umgebung zu haben. Das bedeutet es. Vor dreissig Jahren war diese Arbeitsweise eine Herausforderung für die Zukunft. Man war gegen alle und gegen alles. Wir hatten nicht einmal wirklich die Waffen, um dagegen anzukämpfen, wir waren einfach Idealisten. Aber mit einem starken Glauben. Und dieser Glaube hat uns dazu gebracht, etwas zu erreichen, nach 45 Jahren harter Arbeit. Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo wir, sagen wir mal, mehr Wissen haben. Auch dank Delinat und all den Menschen, die uns umgeben. Studien, Forschung und Neuigkeiten haben geholfen, besser zu produzieren und mit mehr Wissen zu produzieren, was die Arbeit erleichtert. Jetzt ist das gemeinsame Ziel mit Delinat, PIWI-Reben anzubauen, dieses Jahr haben wir eine gute Menge angepflanzt, ungefähr vier Hektar. Wir beginnen mit weissen Trauben, wir warten noch auf rote PIWI-Sorten mit mehr Struktur, mit mehr Sanftheit, die sich auch ein bisschen dem Geschmack der Kundschaft annähern. Und das machen wir, um den grössten Teil des Kupfers zu reduzieren, das in den letzten Jahren immer kritischer beurteilt wird, obwohl die Reduzierung in den letzten fünf, sechs oder zehn Jahren wirklich enorm war, wenn man bedenkt, dass vor zwanzig Jahren noch 20-25 Kilo verwendet wurden, jetzt sind es noch rund 2,5 Kilo. Aber vergessen wir nicht, dass es noch keinen Ersatz für Kupfer gibt, und dass in diesem Moment das Risiko sehr hoch ist. Denn mit dem Klimawandel gibt es keine stabilen Sommer mehr. Man kann nie mit Sicherheit arbeiten. Sagen wir es mal so: Wir brauchen noch mehr Forschung, wenn wir Kupfer noch weiter reduzieren wollen. Ansonsten haben wir aus meiner Sicht die Grenzen des Möglichen erreicht. Den Klimawandel sehen wir alle. Auch wenn das Leben eines Menschen meiner Meinung nach zu kurz ist, um den Klimawandel ganz zu verstehen, vielleicht werden 2000 Jahre dafür gebraucht, ich weiss es nicht. Aber man spürt es, man spürt den Klimawandel auch im Wein. Als ich anfing in den 70er-Jahren, Amarone zu produzieren, war das Ziel, Weine mit 14 oder 14,5 Volumenprozent zu machen, war das damals ein Erfolg. Jetzt ist es hier oft 2-3 Grade wärmer, und es ist nicht mehr schwer, Weine mit mehr Struktur zu erreichen. Eines der Probleme, die man auch bemerkt, ist, dass starke Regenfälle und lange Dürren zunehmen. Und das macht es schwierig, die Entwicklungen zu verstehen und das Wetter zu begreifen. Was machen wir jetzt? Meiner Ansicht nach muss man sich selbst verändern, nicht zu gross denken, das heisst, das Mikroklima, wo man lebt, verändern. Als ich jung war, gab es überall Bäume, mitten in den Weinbergen, neben den Strassen. Jetzt schaut man leider nur noch auf die Produktivität. Und deshalb wurden alle Bäume gefällt, die keine Früchte tragen. Es muss Sonne sein, wir müssen Weinberge überall pflanzen, es gibt keinen Platz für Tiere, nichts. Das ist meiner Meinung nach der Vorteil, mit Delinat zu arbeiten, wir haben Biodiversitäts-Hotspots geschaffen, jetzt haben wir ein tolles Programm, Bäume in den Weinbergen zu pflanzen. Es wird ein bisschen eine Reduzierung der Produktivität sein, aber wenn du einen Schatten suchst, gibt es einen. Das ist der Wandel, den wir suchen müssen.

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