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Gewisse Weinregionen sollten auf «PIWIs only» setzen

Besonders in sensiblen Lagen – also in ökologisch wertvollen Gebieten, in Steillagen und in höheren oder frostgefährdeten Weinregionen – sprechen viele Gründe dafür, ausschliesslich auf neue robuste Rebsorten zu setzen.

Blogbeitrag von Olivier Geissbühler

Boom im Trentino – Chance und Risiko zugleich

Weine aus dem Trentino sind gefragt wie nie. Die Kombination aus alpinem Klima, Höhenlagen bis 1200 Meter und der daraus resultierenden Frische macht sie besonders aromatisch, lebendig und begehrt. Doch dieser Erfolg hat Nebenwirkungen: Immer mehr Rebflächen entstehen in höheren und ökologisch sensiblen Lagen.

Der Weinanbau breitet sich aus – mitunter auf Kosten von Wiesen, Wäldern und Wasserquellen. Expertinnen und Experten warnen vor Monokulturen und dem Verlust der Biodiversität. Die zentrale Frage lautet: Wie kann der Weinbau in hochgelegenen, empfindlichen Regionen nachhaltig gestaltet werden? Eine Antwort liegt auf der Hand: PIWI-Sorten.

5 Gründe, warum in gewissen Regionen nur PIWI-Sorten angebaut werden sollten:

1. Weniger Pestizide = mehr Naturschutz

In bergigen Regionen mit wertvollen Wiesen, Wäldern und seltenen Arten ist der Schutz der Natur essenziell. Konventionelle Rebsorten benötigen zahlreiche Pflanzenschutzbehandlungen – PIWIs hingegen sind gezüchtet, um von Natur aus gegen Mehltau & Co. resistent zu sein. Das bedeutet: Keine Pestizide, geringere Belastung für Boden, Luft oder Tiere. Ein riesiger Vorteil für sensible Ökosysteme. Wo die Reben in Hanglagen stehen, kann bei Regen leicht Spritzmittel in Quellen und Bäche gelangen. Das ist besonders heikel, wenn Gemeinden auf die lokale Wasserversorgung angewiesen sind. PIWI-Reben machen Weinbau ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel möglich – und schützen so auch die Wasserqualität.

2. Schutz der Bevölkerung – auch in Tourismusregionen

In alpinen Weinregionen liegen Weinberge oft nahe an Dörfern, Hotels, Wanderwegen und Schulen. Pestizidabdrift in der Luft kann dort zum Problem werden – mit gesundheitlichen Risiken für Einheimische und Gäste. PIWIs würden da Abhilfe schaffen, auch was das Image einer Tourismusregion betrifft.

4. Kostenvorteile in Steillagen

In höhergelegenen Steillagen sind Pflanzenschutzmassnahmen besonders aufwändig. Jede Durchfahrt kostet Zeit, Personal und Energie. Da PIWI-Sorten nur ein Bruchteil dieser Behandlungen brauchen, reduzieren sich die Pflegekosten erheblich. Das macht den Anbau auch wirtschaftlich tragfähiger in schwierig zugänglichen Lagen.

5. Frostresistenz in höheren Lagen

Mit dem Klimawandel steigen die Temperaturen – und der Weinbau wandert nach oben. Doch höhere Lagen bedeuten oft auch höhere Frostgefahr im Frühjahr. Hier könnten neue Sorten helfen: Viele PIWIs wurden so gezüchtet, dass sie später austreiben oder gegenüber Frost robuster sind. Perfekt für Berglagen – und ein Schlüssel zur langfristigen Absicherung der Weinqualität.

Luzern zeigt vor, wie’s geht: Mit PIWIs zum Erfolg

Was die Gemeinde Brentonico im Trentino diskutiert, betrifft viele Regionen in den Alpen und Voralpen: Der Druck auf die Landschaft wächst. Doch statt den Weinbau zu stoppen, sollte er gezielt gesteuert werden – mit den richtigen Sorten, den richtigen Böden und einem klaren Fokus auf Qualität, Umwelt und Gesellschaft. PIWIs bieten hier eine konkrete, praxisnahe Lösung.

Ein Blick in die Zentralschweiz zeigt eindrucksvoll, wie nachhaltiger Weinbau in neuen und sensiblen Regionen gelingen kann: Der Kanton Luzern hat den Wandel früh erkannt – und setzt seit Jahren konsequent auf PIWI-Rebsorten. Heute machen pilzwiderstandsfähige Sorten wie Solaris, Divico, Cabernet Blanc oder Souvignier Gris dort bereits über 40 % der gesamten Anbaufläche aus. Damit ist Luzern der klare Vorreiter in der Schweiz – der Landesdurchschnitt liegt gerade einmal bei 3,5 %. Noch in den 1990er-Jahren war der Luzerner Weinbau kaum bekannt, das Image war höchstens mittelmässig. Heute hingegen wächst die Rebfläche stetig, und die Weine gewinnen an Anerkennung. Der Grund? Neue Rebsorten, neue Klimabedingungen – und der Mut zur Innovation.

Der Klimawandel eröffnet neue Chancen, bringt aber auch neue Risiken. Klassische Sorten stossen da schnell an ihre Grenzen. PIWIs hingegen sind widerstandsfähig, pflegeleicht und passen hervorragend zu den neuen klimatischen Realitäten. Luzern beweist: Mit der richtigen Sortenwahl lassen sich Qualität, Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg vereinen. Genau diesen Weg sollten auch andere Weinregionen einschlagen – bevor Monokulturen, Pestizidprobleme und Wasserknappheit das Bild bestimmen.

«PIWIs-only»: Bald neue Appellation, die nur neue robuste Rebsorten erlaubt?

Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: In neu entstehenden Weinregionen oder höher gelegenen Anbauzonen wäre es aus ökologischer wie marketingtechnischer Sicht klug, in einer Appellation ausschliesslich PIWI-Rebsorten zuzulassen. Denn wo der Weinbau quasi auf der „grünen Wiese“ neu gedacht werden kann, sollte man Fehler der Vergangenheit vermeiden. Dass es möglich ist, als Appellation zu 100% biologisch zu produzieren, hat das Penedès bereits bewiesen. Vor paar Jahren wäre das ebenfalls undenkbar gewesen. 100% PIWIs wäre der nächste Schritt.

Klassische europäische Sorten wie Chardonnay, Pinot Noir oder Merlot benötigen in der Regel einen hohen Einsatz an Pflanzenschutzmitteln, selbst im Bio-Anbau. Das ist weder nachhaltig noch zeitgemäss – vor allem nicht in Zeiten von Klimawandel, Artensterben und wachsendem Umweltbewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten. Auch ökonomisch gesehen lohnt sich der Anbau dieser Sorten meist nicht (mehr) wirklich.

Eine Appellation mit klarem Fokus auf PIWI-Sorten hingegen würde ein klares ökologisches Statement setzen: Keine Pestizide, keine Abdrift, keine Belastung für Menschen, Böden und Gewässer. Gleichzeitig würde sie ein grosses Marketingpotenzial bieten: Authentische, neue Weine aus klimaangepassten Rebsorten – das ist spannend für Handel, Gastronomie und weinaffinen Tourismus.

Statt sich mit etablierten Appellationen und weitverbreiteten Rebsorten messen zu müssen, könnte eine «PIWIs-only-Weinregion» eine eigenständige Identität aufbauen – glaubwürdig, zukunftsorientiert und im Einklang mit der Natur. Wenn man die Zukunft des Weinbaus in höheren Lagen wirklich nachhaltig gestalten möchte, sollten PIWI-Reben nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein.

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