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Wie schädlich sind Pestizide für die Gesundheit?

Blogbeitrag von Olivier Geissbühler

Pestizide sind nicht nur als Rückstände im Wein oder im Grundwasser eine Gefahr für die Gesundheit: Einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sind Landwirtinnen und Landwirte, welche im Alltag damit arbeiten müssen. Mehrere Studien haben bereits belegt, dass Menschen, die vermehrt mit Pflanzenschutzmitteln in Kontakt kamen, deutlich öfter an der degenerativen Nervenkrankheit Parkinson erkranken. Ebenfalls beunruhigend: Die Zahl der Erkrankten nahm in den letzten Jahren stetig zu.

Dass Pestizide schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben, ist bereits seit Jahrzehnten bekannt. Es war auch ein Grund, weshalb der Delinat-Gründer Karl Schefer bereits in den 1980er-Jahren die ersten Bio-Richtlinien im Weinbau ins Leben gerufen hatte. Trotzdem gibt es immer noch grosse Unsicherheiten, welche Stoffe den menschlichen Organismus auf welche Art schädigen. Schwierig für eine Beurteilung sind vor allem langfristige Auswirkungen von chemischen Stoffen auf den menschlichen Körper. Die Datenlage dazu ist in der Schweiz und in Deutschland immer noch sehr dünn. In Frankreich und Italien wurde das gesundheitliche Risiko von Pestiziden schon vor Jahren erkannt: Parkinson (wegen Pestizid-Exposition) gilt bei Winzern als Berufskrankheit. Trotzdem tappt die Wissenschaft immer noch bei vielen chemischen Stoffen und deren konkreten Auswirkungen im Dunkeln.

Dazu kommt, dass nicht nur Personen besonders gefährdet sind, welche direkt mit Pestiziden in Kontakt kommen. Auch Menschen, die in gewissen Landwirtschaftsregionen wohnen, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Die Pestizide verbreiten sich in der Luft und in den Gewässern und sind meist schon in kleinsten Dosen hochtoxisch. (Siehe dazu auch den Video-Beitrag von Pestizid-Applikationen mit dem Helikopter).

Mächtige Agrarlobby: Intransparente Zulassung bei Pestiziden

Dazu kommt: Die Zulassung von Pestiziden läuft oft intransparent ab und wird nur mangelhaft kontrolliert. Wichtige Informationen und Daten zur Risikobewertung von neuen Wirkstoffen sind oft nicht öffentlich einsehbar. Zudem werden die Studien zur Risikobewertung von Pestiziden meist von den Herstellern selber in Auftrag gegeben, was eine unabhängige Kontrolle unmöglich macht. Kürzlich wurde aufgedeckt, dass die Chemie-Unternehmen Bayer und Syngenta systematisch Daten zurückgehalten haben, welche die Schädlichkeit von Pestiziden beweisen. Und schlimmer noch: In der Schweiz soll derzeit das Mitspracherecht von Naturschutzorganisationen für die Zulassung von neuen Stoffen eingeschränkt werden.

Erschwerend dazu kommt, dass laufend neue Pflanzenschutzmittel auf den Markt kommen. Ihr Risiko ist schwer abschätzbar. Ein weiterer blinder Fleck ist die Cocktail-Wirkung von mehreren Stoffen untereinander: Oft werden nur einzelne Stoffe auf ihre Toxizität geprüft. Meistens dauert es Jahre oder sogar Jahrzehnte, bis die Schädlichkeit von Wirkstoffen eindeutig nachgewiesen werden kann. Und das wird von den Agrarkonzernen schamlos ausgenutzt: So lange die Gefährlichkeit eines Stoffes nicht eindeutig bewiesen ist, bleibt das Pflanzenschutzmittel oft noch Jahre auf dem Markt und wird weiterhin tonnenweise ausgebracht. Und wenn ein Wirkstoff dann endlich verboten wird, landen gleichzeitig mehrere neue chemische Produkte auf dem Markt, welche ein neues potenzielles Gesundheitsrisiko darstellen. So ist der Handel mit den lebengefährlichen Giften seit Jahrzehnten ein globales Milliardengeschäft.

PIWIs sind der Königsweg zur Pestizidreduktion

Eine grosser Schritt in die richtige Richtung ist der biologische Anbau von Trauben (und Lebensmitteln generell). Dort sind zwar ebenfalls «biologische» Pestizide wie Kupfer und Schwefel erlaubt, doch diese sind deutlich weniger toxisch. Das vermindert auch das Risiko der Kontamination von Grundwasser. Wenn mit diesen Stoffen vorsichtig und sparsam umgegangen wird, kann auch das gesundheitliche Risiko deutlich reduziert werden.

Die beste Lösung für einen Weinbau ohne Pestizide sind jedoch robuste Rebsorten. PIWIs, also pilzwiderstandsfähige Sorten, besitzen eingekreuzte Resistenzmechanismen gegen die gefährlichsten Pilzkrankheiten bei Reben. Das erlaubt eine massive Reduktion des Pflanzenschutzes. Winzerinnen und Winzer müssen deutlich seltener ihre Reben spritzen. Chemisch-synthetische Pestizide werden in den meisten Fällen überflüssig bei den PIWIs. Dieses Sparpotential beim Pflanzenschutz hilft, die Gesundheit der Winzerinnen und Winzer zu schützen. Dabei lohnt es sich jedoch, eine Sorte mit einer hohen Resistenz anzupflanzen; denn nicht alle PIWI-Sorten sind gleich robust.

Ist Weinbau ohne Pestizide realistisch? Schreibe deine Meinung in die Kommentare!

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für den Artikel! Ich denke, eines der zentralen Probleme ist, dass es zu wenig «neutrale» (= nicht interessengeleitete) Geldgeber für langfristige Studien dieser Art gibt. Lobbyarbeit ist halt in der Regel von ökonomischen Interessen bestimmt, und so kommen dann Forschungsaufträge zustande, die das implizite Ziel haben, ein Mittel als «unschädlich» zu deklarieren, um es weiterverkaufen zu können. Wechselwirkungen und Anreicherungen werden wegen der Komplexität praktisch gar nicht untersucht. Das ist ein politisches Problem.

    Man müsste meiner Meinung nach gar nicht so weit gehen, immer mit direkten Auswirkungen auf den Menschen wie «krebserregend» zu argumentieren. Das Artensterben, der immense Rückgang der Insektenpopulationen, das ist ja inzwischen ziemlich gut belegt. Und da fängt es halt im Kleinen an mit der Zerstörung der Lebensgrundlagen…

    Weinbau ohne Pestizide halte ich im gesamten Basismarkt für absolut realistisch. Auf der Ebene darüber sind noch ein paar Jahre, vermutlich Jahrzehnte des Trial & Error erforderlich. Eigentlich logisch, denn der erste Pinot Noir war vermutlich auch noch kein Grand Cru 😉

    1. Hallo Matthias

      Danke fürs Teilen deiner Gedanken! Ich bin komplett deiner Meinung, obwohl ich finde, dass Naturschutzverbände wie Greenpeace und WWF diesbezüglich wichtige Forschungs- und Aufklärungsarbeit leisten. Aber klar: Auch ihre Ressourcen sind beschränkt und Langzeitstudien kosten viel Geld… Aus meiner Sicht wäre das eine staatliche Aufgabe (in der Schweiz Bundesamt für Gesundheit und/oder Bundesamt für Umwelt). Leider sind diese Ämter auch nicht immer genügend vor Lobbyisten geschützt…

      Beim Begriff «Weinbau ohne Pestizide» müsste man vielleicht noch präzisieren, ob «Weinbau ohne chemisch-synthetischen Pestizide» gemeint ist oder auch ohne «biologische Pestizide»… Aber das Ziel für die Zukunft sollte jedenfalls beides sein!

      Liebe Grüsse
      Olivier

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