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PIWI-Anbau jetzt auch im Elsass erlaubt

Blogartikel von Olivier Geissbühler

Nebbiolo-Trauben im Elsass? Das war bis vor kurzem undenkbar, aber dürfte bald Realität werden: Das Elsass ist – wie viele Weinbauregionen – ziemlich stark vom Klimawandel betroffen. Das traditionsreiche Weinbaugebiet liegt, ein wenig abgeschieden vom Rest Frankreichs, hinter den Vogesen. Das Mittelgebirge hält den Regen ab, sodass das Elsass zu den trockenen Gebieten in Frankreich zählt.

Die zunehmend heisseren Sommer werden für die dort traditionell angebauten Traubensorten wie Riesling ein immer grösseres Problem. Gleichzeitig gilt die Appellation im Elsass als ziemlich konservativ, denn es waren bisher nur folgende Sorten für den Anbau erlaubt: Pinot noir (auch für Crémant), Chardonnay (nur für Crémant), Pinot blanc, Pinot gris, Muscat, Sylvaner, Riesling und Gewürztraminer.

Sechs PIWI-Sorten und vier europäische Sorten neu für Versuchsanbau zugelassen

Nun hat das französische Institut für Herkunft und Qualitätssicherung (Institut national de l’origine et de la qualité, kurz INAO) endlich einen Schritt Richtung Zukunft gemacht: Die Regelung für den Anbau von Sorten aus anderen Regionen wurde gelockert. So wurden insgesamt zehn neue Rebsorten in das Lastenheft der AOC-Weine des Elsass und des Crémant d’Alsace aufgenommen. Darunter sind vier europäische und sechs PIWI-Sorten, welche robust gegen Pilzkrankheiten und damit ökologischer im Anbau sind.

Die neuen Sorten werden als „Variétés d’Intérêt à Fin d’Adaptation“ (VIFA) eingestuft. Das heisst, sie sind in diesem Weinbaugebiet nicht heimisch, können aber aufgrund klimatischer Veränderungen und anderer Umweltfaktoren von Interesse sein. Sie werden vorerst experimentell angebaut, um herauszufinden, ob sie sich längerfristig in dieser Region bewähren. Winzerinnen und Winzer dürfen nun für zehn Jahre auf maximal fünf Prozent der Flächen mit den VIFA-Sorten arbeiten und sie mit einem Anteil von maximal zehn Prozent in Cuvées verwenden.

Neu zugelassene PIWI-Sorten im Elsass:

  • Opalor: Die weisse Rebsorte wurde von der französischen Forschungsorganisation INRAE (Institut national de recherche pour l’agriculture, l’alimentation et l’environnement) gezüchtet. Es ist eine Kreuzung zwischen Nachkommen der Wildrebe Muscadinia rotundifolia und der PIWI-Sorte Bronner. In Frankreich ist Opalor seit 2022 offiziell im Rebsortenkatalog eingetragen und klassifiziert.
  • Selenor: Ebenfalls eine weisse Rebsorte, welche von der Forschungsorganisation INRAE gezüchtet wurde. Sie ist, wie Opalor, eine Kreuzung zwischen Nachkommen der Wildrebe Muscadinia rotundifolia und der PIWI-Sorte Bronner. Selenor wurde 2021 in den offiziellen Rebsortenkatalog in Frankreich eingetragen und klassifiziert.
  • Voltis: Die weisse PIWI-Sorte ist eine Kreuzung zwischen Villaris und VRH 3159-2-12 (eine intergenerische Kreuzung zwischen Vitis vinifera x Muscadinia). Es sind Gene von Vitis berlandieri, Vitis rupestris, Muscadinia und Vitis vinifera enthalten. Die Kreuzung ist in Zusammenarbeit der französischen INRA und dem deutschen Julius Kühn-Institut im Rahmen des Projektes Res-Dur entstanden. Voltis ist die erste Piwi-Sorte, die jemals in eine französische Appellation aufgenommen wurde, nämlich in der Champagne.
  • Johanniter: Die weisse robuste Rebsorte Johanniter entstand bereits im Jahr 1968 durch den Rebenzüchter Johannes Zimmermann am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg (DE). Es ist eine Kreuzung aus Riesling X (Seyve-Villard 12-481 X (Ruländer X Gutedel)).
  • Souvignier gris: Die PIWI-Sorte Souvignier Gris wurde im Jahr 1983 von Norbert Becker am Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg (DE) gezüchtet. Es ist eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und Bronner.
  • Coliris: Die rote PIWI-Sorte wurde auch von der französischen Forschungsorganisation INRAE gezüchtet. Sie ist ebenfalls eine Kreuzung zwischen Nachkommen der Wildrebe Muscadinia rotundifolia und der PIWI-Sorte Bronner und wurde ebenfalls seit dem Jahr 2021 offiziell im Rebsortenkatalog eingetragen

Neu zugelassene Europäersorten:

  • Nebbiolo: Neben dem Sangiovese ist Nebbiolo eine der beliebtesten roten Rebsorten in Italien. Die alte Piemonteser Sorte lässt Weine von grosser Komplexität, Expressivität und Langlebigkeit entstehen, die im Alter an grosse Burgunder erinnern, in ihrer Jugend aber von Tannin geprägt sind. Im Piemont wird derzeit diskutiert, ob Barolo-Weine aus den Nebbiolo-Trauben wegen der Klimaerwärmung künftig auch aus Nordhängen stammen dürfen.
  • Syrah: Auch Shiraz geschrieben (vor allem in Südafrika und Australien). Die rote Traubensorte hat ihren Ursprung in den Savoyen. Obwohl die Sorte eher heikel ist, wird sie international immer noch sehr oft angebaut.
  • Chenin Blanc: Weisse französische Rebsorte, welche eigentlich an der Loire beheimatet ist.
  • Rolle: Ist identisch mit der weissen italienischen Rebsorte Vermentino. Wird in Frankreich bisher vor allem in den Regionen Languedoc – Roussillon und in der Provence angebaut.

Guter Schritt in Richtung Zukunft, aber…

Dass im Elsass nun auch erste Versuche mit neuen Rebsorten gemacht werden dürfen, ist erfreulich. Der Delinat-Winzer Xavier Meyer aus Bergholtz im Elsass sagte schon vor drei Jahren, dass er eigentlich gerne PIWIs anpflanzen würde. Experimentierfreudige Winzerinnen und Winzer im Elsass haben nun endlich die Möglichkeit, legal PIWIs anzupflanzen und diese auch in ihre Weine zu integrieren.

Was ein bisschen fragwürdig ist, ist die strikte Vorgabe von einigen wenigen bestimmten Sorten für den Versuchsanbau. Was die Gründe für die Auswahl genau dieser Sorten waren, darüber lässt sich nur spekulieren. Ein Grund für den Grossteil der Sortenwahl ist wahrscheinlich die französische Herkunft und/oder deren Verbreitung in südlicheren Weinregionen Frankreichs. Deshalb sorgt der Nebbiolo etwas für Stirnrunzeln; man könnte sich fragen, was diese die ur-italienische Rebsorte nun plötzlich im Elsass zu suchen hat. Die Überlegung war hierbei wahrscheinlich, eine wärmeresistentere Sorte als Pinot Noir zu wählen, welche jedoch trotzdem das Potenzial für elegante Burgunder-Charakteristik hat.

Bei der PIWI-Auswahl stammen vier Sorten aus demselben Züchtungsprojekt der INRAE. Dementsprechend haben alle eine ähnliche genetische Abstammung mit zum Teil gleichen Eltern-Sorten. Die Sorten sind noch ziemlich jung und man hat noch keine langjährigen Erfahrungen gemacht, wie gut sie wirklich im Anbau sind. Zusätzlich dazu wurden mit Johanniter und Souvignier gris zwei vergleichsweise alten Sorten ins Portfolio aufgenommen, welche sich zwar im Feld draussen bewähren, aber bezüglich Resistenz sicher nicht den aktuellsten Anforderungen entsprechen. Sofern man eine rote PIWI-Sorte im Elsass pflanzen möchte, hat man zudem gar keine Wahl: Man muss auf Coliris setzen.

Die Auswahl der erlaubten PIWI-Sorten ist damit ziemlich einseitig. Wenn man schon experimentiell auf kleinen Flächen herausfinden möchte, welche Sorten sich künftig im Elsass am besten eignen könnten, sollten etwas mehr verschiedene Sorten für den Versuchsanbau erlaubt sein. Der Winzer sollte frei sein, welche Sorten er anbauen möchte. Es gibt mittlerweile weit über 100 PIWI-Sorten mit unterschiedlichsten Eigenschaften. Einige Sorten von Valentin Blattner hätten da zum Beispiel bezüglich Resistenz und Geschmacksprofil noch mehr Vielfalt bieten können.

Haben PIWI-Sorten im Elsass eine Zukunft? Schreibe deine Meinung in die Kommentare!

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