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Biowein-Labels: Es gibt grosse Unterschiede

Blog-Beitrag von Olivier Geissbühler

Bio ist beim Wein mittlerweile zum Qualitätsmerkmal geworden – das war nicht immer so. Früher galten Bioweine oft als sauer, wässrig oder schlimmeres. Das hat sich zum Glück mittlerweile geändert, qualitativ hochwertige Weine stammen heutzutage oft aus biologischem Anbau. Immer mehr Weinbau-Betriebe lassen sich zertifizieren mit verschiedenen Biowein-Labels: EU-Bio, Demeter und Ecovin sind nur einige davon. Der ökologische Weinbau ist in den letzten Jahren ständig gewachsen und diese Entwicklung wird wahrscheinlich – trotz der aktuellen Flaute im Bio-Markt – längerfristig anhalten. Eine Übersicht zu den wichtigsten Bio-Labels im Weinbau gibt es hier.

Ein Label sollte den gesamten Produktionsprozess kontrollieren

Doch was zeichnet ein gutes und vertrauenswürdiges Biowein-Label aus? Zentral ist aus meiner Sicht die Ganzheitlichkeit. Ein Siegel sollte möglichst umfassend und detailliert formuliert sein. Bei der Weinproduktion ist dies eine besondere Herausforderung, denn das Produkt ist nicht – wie bei anderen Landwirtschaftskulturen – mit dem Ernten der Traube bereit für die Konsumentinnen und Konsumenten. Die Weiterverarbeitung im Keller ist ein zentraler Teil und muss ebenso genau betrachtet werden wie die Arbeit im Weinberg.

Und diese Ganzheitlichkeit ist ein wichtiger Faktor, was die Delinat-Richtlinien einzigartig macht im Weinbau. Es ist auch ein Grund, weshalb die Informationsplattform Labelinfo.ch in Zusammenarbeit mit WWF Schweiz die beste Bewertung und das Prädikat «Ausgezeichnet» an die Delinat-Bio-Garantie verliehen hat. Die Delinat-Richtlinien gelten als erste Bio-Richtlinien im europäischen Weinbau und wurden bereits im Jahr 1983 ins Leben gerufen. Seither sind sie laufend verfeinert, erweitert und den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst worden. Zudem beinhalten sie drei verschiedene Qualitätsstufen: So werden die Winzer animiert, sich stetig weiter zu verbessern. Und nicht zuletzt werden sie von einer unabhängigen, externen Stelle kontrolliert: Die Zertifizierungsstelle bio.inspecta macht dies in Zusammenarbeit mit den Bio-Kontrollstellen der jeweiligen Anbau-Länder.

Der Direkt-Vergleich: EU-Biowein im Vergleich zur Delinat-Bio-Garantie

Hier einige wichtige Bereiche, bei denen sich die Delinat-Richtlinien massgeblich von den EU-Bio-Standards – und den meisten anderen Biowein-Labels – unterscheiden:

  • Pflanzenschutz: «Die Dosis macht das Gift«
    Im Weinbau zentral ist der Pflanzenschutz. Im biologischen Weinbau dürfen keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Erlaubt sind nur biologische Pestizide wie Kupfer oder Schwefel. Da eine zu hohe Anwendungsmenge dieser Pflanzenschutzmittel ebenfalls schädliche Auswirkungen auf die Umwelt hat, geben die Delinat-Richtlinien eine strenge Limitierung vor. Bei EU-Bio ist ein Kupfereinsatz von 4 Kg pro Hektar im Schnitt von 5 Jahren und maximal 6 Kg pro Hektar und Jahr erlaubt. Bei Delinat sind es maximal 3 Kilo, wobei die meisten Delinat-Winzer bei unter 2kg/ha/Jahr liegen. Zudem hat Delinat einen anspruchsvollen Absenkpfad zur Reduktion dieser Hilfsmittel formuliert. Bis 2033 werden die erlaubten Mengen nahezu halbiert.
  • Gezielte Förderung von ökologischen Traubensorten (PIWIs)
    In Weinbau-Regionen mit hohem Krankheitsdruck sind neue, robuste Rebsorten die umweltschonendste Art, um Wein zu produzieren. Es können hohe Mengen an Pflanzenschutzmitteln und damit Durchfahrten gespart werden. Das wirkt sich auch positiv auf die CO2-Bilanz aus. Delinat fördert diese Sorten gezielt bei den Winzern und führt eigene Forschung zu neuen Sorten durch. Delinat-Weingüter, welche die Höchstmengen an Kupfer und Schwefel während mehreren Jahren überschreiten, können dies mit dem Anbau von PIWI-Sorten kompensieren. Ab diesem Jahr gilt für die Delinat-Weingüter: Bei zu hohen Kupfer- oder Schwefelwerten sowohl im aktuellen Jahr als auch im 5-Jahres-Durchschnitt muss der Anteil von pilzresistenten Rebsorten für jedes Jahr des Nichterreichens um 1 Prozentpunkt der gesamten Rebfläche erhöht werden.
  • Umfassende Förderung der Biodiversität
    Monokulturen (in Kombination mit schädlichen Pflanzenschutzmitteln) sind ein Grund für das rasante Artensterben weltweit. Die Monokultur im Weinberg schwächt die Rebstöcke und macht sie krankheitsanfällig. Und obwohl die Biodiversität in einem Weinberg für den Boden, die Reben und das gesamte Ökosystem zentral ist, sind die Anforderungen diesbezüglich bei vielen Biowein-Labels nicht sehr hoch. Bei EU-Bio zum Beispiel gibt es keine verbindlichen Vorgaben, wie viel ökologische Ausgleichsflächen vorhanden sein müssen. Delinat stellt dazu aussergewöhnlich hohe Anforderungen: Mindestens 12 Prozent der Rebfläche müssen Biodiversitäts-Flächen sein. Dazu kommen Vorgaben für eine Begrünung im Rebberg: Mindestens 10 Prozent der Rebfläche muss Blühfläche sein, die nicht vor dem ersten 1. Juli gemulcht oder gemäht werden darf. Dazu kommen eine Mindestanzahl an Biodiversitäts-Hotspots in den Reben sowie Maximalabstände von Reben zu Bäumen und Sträuchern. Und obwohl alle diese Faktoren äusserst wichtig für eine intakte Biodiversität sind, fehlen bei EU-Bio wichtige Regelungen diesbezüglich.
  • Vinifikation: Hilfsstoffe im Weinkeller
    Auch im Keller greifen die Delinat-Richtlinien weiter als andere Biowein-Labels, damit der Wein so natürlich wie möglich verarbeitet wird. Technische Verfahren wie Vakuumverdampfer, Umkehrosmose und Kryoextraktion sind verboten. Im Gegensatz zu EU-Bio verbieten die Delinat-Richtlinien zudem tierische Schönungsmittel. Denn was viele nicht wissen: Um den Wein zu klären, wird zum Teil Gelatine oder Hühnereiweiss verwendet. Auch getrocknete Schwimmblasen von Stören oder Welsen kommen zum Einsatz. Da Delinat auch sämtliche Düngemittel mit Schlachtabfällen verbietet, können die Delinat-Weine ausnahmslos als vegan bezeichnet werden.
  • Erneuerbare Energien
    Zu einer ganzheitlichen Nachhaltigkeit sollte heutzutage auch ein moderater CO2-Fussabdruck gehören. Bei der Zertifizierung mit EU-Bio sind diesbezüglich klare Vorschriften jedoch Fehlanzeige. Woher der Strom für die Erzeugung des Bio-Produkts kommt, ist ziemlich egal. Auch in dieser Hinsicht geht Delinat einen anderen Weg: Jeder zertifizierte Betrieb muss einen minimalen Anteil an erneuerbarer Energie direkt auf dem Betrieb erzeugen. Bei der Stufe 1 sind das 30 Prozent, bei der Stufe 2 sind es 60 Prozent und bei Stufe 3 sind es 100 Prozent. Bis zur Erreichung des Ziels von 100 Prozent erneuerbarer Energie muss jeder Betrieb nachweisen, dass mindestens drei Massnahmen zur Umsetzung von Energieeffizienz getroffen wurden. Dazu gehören beispielsweise energieeffiziente Kühlung, Wärmerückgewinnung, Isolation, Solarthermie oder Stromgewinnung durch Sonne und Wind.

Persönliches Fazit

Bei der Zertifizierung gibt es eine wichtige Grundregel zu beachten: Je schwieriger die Anforderungen zu erreichen sind, desto weniger Betriebe können sie erfüllen. Wenn also ein Label sich zum Ziel gesetzt hat, möglichst viele Betriebe zertifizieren zu können, fallen die jeweiligen Vorgaben gezwungenermassen etwas lascher aus. Bei Delinat ist die enge Begleitung und umfassende Beratung der Winzer zentral, damit die strengen Vorgaben auch erreicht werden können. Es wird individuell auf die jeweiligen Betriebe und Regionen eingegangen und bei Bedarf finanzielle Unterstützung geleistet, um gewisse Investitionen tätigen zu können. So können sich die Winzer ständig weiterentwickeln und ihren Betrieb schrittweise ökologischer gestalten.

Aus Konsumentensicht finde ich ganzheitliche Biowein-Labels ein Muss. Zertifizierungen ohne deutlichen Mehrwert und mit lückenhaften Vorgaben bezüglich Nachhaltigkeit werden – oft zu Recht – als Greenwashing abgetan. Und wenn man als Kunde bereit ist, mehr Geld für ein Produkt auszugeben, darf man auch den Anspruch haben, dass dies auf ganzer Linie den eigenen Nachhaltigkeitsvorstellungen entspricht.

Wie wichtig ist dir ein Bio-Label beim Kauf einer Flasche Wein? Auf welche Aspekte schaust du besonders? Schreib es in die Kommentare!

12 Kommentare

  1. Ich halte umfassende Richtlinien und Vorschriften für notwendig, damit klar und deutlich wird, dass ein BIO-Wein auch ein «ehrlicher BIO-Wein» ist
    und nicht den Verbraucher in die Irre führt.

    1. Lieber Herr Krauss
      Das sehe ich auch so, diese Richtlinien sollten auch laufend den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden.

      Freundliche Grüsse,
      Olivier Geissbühler

  2. Hallo,
    wir sind nur Verbraucher, jedoch achten wir die Natur und Umwelt sehr und unser Kaufverhalten ändert sich permanent mehr zu Bio und selber machen.
    Wir kaufen z. Bsp. unser Fleisch und Wurst bei einem nahe gelegenen Bauern, der Bio lebt, sich jedoch nicht zertifizieren lässt. Dies ist in Deutschland mit zum Teil unsinnigen Vorgaben und dem Erzeuger sinnlose Kosten verbunden. Diese Einstellung unterstützen wir voll und ganz. Der Hof ist offen und kann jeder Zeit besucht werden.
    Wir backen unsere Brötchen und Brot selber, da die Kommerziellen für uns mittlerweile nicht mehr geniessbar sind und selbst gemacht ist trotz Bio-Zutaten günstiger.
    Ich weiß nicht ob es immer so wichtig ist ein Biolabel vorzuweisen. Man sollte auch auf die Geschichte der Erzeuger bzw. der Höfe hören

    1. Liebe Frau Reinert
      Ich gebe Ihnen völlig recht, mit dem Verhalten als Verbraucher kann man sehr viel beeinflussen. Und es stimmt: Nur weil ein Landwirtschaftsbetrieb kein Bio-Zertifikat hat, heisst das noch lange nicht, dass er nicht umweltverträglich produziert. Regional und direkt beim Hof einzukaufen, ist auf jeden Fall ein guter Weg, um qualitativ hochwertige Lebensmittel zu bekommen. Und selber backen sowieso!
      Beste Grüsse, Olivier Geissbühler

  3. Wir sind Delinat sehr dankbar für die umfassende Aufklärung und die konsequente Weiterentwicklung. Herzlichen Dank für das grosse Engagement.

    1. Liebe Frau Meyer

      Das ist schön zu hören, danke für die Rückmeldung!

      Freundliche Grüsse
      Olivier Geissbühler

  4. Die Delinat Richtlinien für den Weinbau überzeugen uns seit Jahren und sind ganzheitlich durchdacht. Wir investieren deshalb gerne etwas mehr Geld in die Weine. Dafür erhalten wir nicht nur ausgezeichnete Qualität zurück. Der ressourcenschonende An- und Abbau gibt der Fauna und Flora sehr viel zurück. Die Symbiose im Boden zwischen Mikroorganismen, Pilzen und den Rebstöcken ist um ein Vielfaches grösser als beim konventionellen monokulturartigen Weinbau. Im Weinbaugebiet sorgt die Biodiversität unter und zwischen den Rebstöcken, den schatten- und nahrungsspendenden Büschen, Blütenpflanzen und Bäumen für einen eindrücklichen Mehrwert und eine dauernde und gesunde Nachhaltigkeit.

    1. Lieber Herr Ramsauer

      Das stimmt, Biodiversität ist der Schlüssel für nachhaltigen Weinbau und für die Landwirtschaft im allgemeinen. Nur so bleiben die wertvollen Ressourcen eines gesunden Bodens für die Zukunft erhalten.

      Freundliche Grüsse
      Olivier Geissbühler

  5. Die Delinat-Richtlinien sind in der Tat wegweisend im Bioweinbau.
    Hilfreich wäre auch eine Würdigung der anderen Labels gewesen wie
    Ecovin, AB, Bioland und Demeter insbesondere sich ja in der Praxis oft
    Überschneidungen ergeben.

    1. Lieber Herr Alt
      Das stimmt; jedes Label hat seinen eigenen Fokus. In diesem Beitrag habe ich auf Details von weiteren Labels verzichtet, weil es sonst zu umfassend geworden wäre. Aber ich werde versuchen, die oben genannten Biowein-Labels in einem weiteren Beitrag noch im Detail zu vergleichen.

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