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Der PIWI-Super-Rebe auf der Spur

Wie lassen sich neue Rebsorten finden, die widerstandsfähig, geschmacklich überzeugend und gleichzeitig umweltschonend sind? Eine Antwort darauf gibt der Delinat-Winzer Roland Lenz aus dem Kanton Thurgau. In seinem Versuchsgarten zeigt er, wie er die PIWI-Super-Rebe zu finden gedenkt.

Blogartikel von Olivier Geissbühler

Neue Reben für neue Klimabedingungen

Frühlingszeit ist im Weinberg auch immer Rebenpflanzungszeit. So auch auf dem Delinat-Weingut Lenz: Beim Besuch ist Roland Lenz mit seinem Team gerade daran, im Muttergarten neue Sorten anzupflanzen. Zuvor wurden fast alle alten Reben dort ausgerissen, weil sie nicht zu 100 Prozent überzeugt hatten. Nur elf Sorten waren über mehrere Jahre hinweg komplett krankheitsresistent und wiesen auch sonst alle Eigenschaften auf, die sich eine Winzerin oder ein Winzer bei einer neuen Rebsorte wünscht.

Roland Lenz betreibt seinen Versuchsgarten, um neue, robuste Rebsorten unter realen Bedingungen zu testen, bevor er sie in grösseren Mengen anpflanzt. In diesem geschützten Rahmen kann er hundertfach verschiedene Züchtungen beobachten, ihre Widerstandskraft gegen Krankheiten wie Mehltau prüfen, ihr Wachstum bewerten und die Traubenqualität beurteilen. So stellt er sicher, dass nur die besten Sorten – also jene, die sowohl ökologisch als auch geschmacklich überzeugen – in grösserem Umfang kultiviert werden.

Wie entsteht eine neue Rebsorte?

Am Anfang steht die Kreuzung: Zwei Rebsorten – zum Beispiel eine besonders resistente mit einer geschmacklich hochwertigen – werden miteinander gekreuzt. Aus den daraus entstandenen Kernen wachsen Sämlinge, die zunächst ohne Reblaus-resistente Unterlage gepflanzt werden müssen. Daher stehen sie in einem speziellen Versuchsgarten ausserhalb der klassischen Rebbauzonen.

In diesem Muttergarten wachsen hunderte verschiedene Jungpflanzen – jede ein genetisches Unikat. Doch nur die allerbesten schaffen es weiter. Roland Lenz spricht von 450 Sorten, von denen über die Jahre nur elf übrig geblieben sind.

Selektion der «PIWI-Super-Reben»

Getestet wird auf alles, was für den Weinbau wichtig ist: Krankheitsresistenz, Traubenqualität, Wuchsverhalten, Blätterdichte – und natürlich, ob die Sorte den immer extremeren Wetterbedingungen standhält. Dabei halfen die letzten Jahre mit extrem feuchten und trockenen Phasen bei der natürlichen Selektion.

Pflanzen, die den Pilzkrankheiten Echter und Falscher Mehltau nicht standhalten, werden rigoros entfernt. Ebenso jene, deren Trauben qualitativ enttäuschen oder deren Laub zu dicht wächst – denn das erhöht die Krankheitsanfälligkeit. Roland Lenz betont, dass diese Selektion gnadenlos ist – doch sie ist notwendig, um langfristig robuste und qualitativ überzeugende Reben zu etablieren.

Ein Fundament für den Weinbau von morgen

Die elf vielversprechendsten Sorten werden nun vegetativ vermehrt – das heisst: Aus geschnittenem Holz entstehen genetisch identische Nachkommen. Pro Sorte werden rund 200 Reben gezogen, die Roland Lenz im kommenden Jahr in die für die Weinherstellung gedachten Weingärten pflanzt. Erst in einigen Jahren wird sich zeigen, ob sie sich dort bewähren. Der ursprüngliche Versuchsgarten bleibt in der Zwischenzeit als Absicherung bestehen.

Die Arbeit von Roland Lenz ist ein Paradebeispiel dafür, wie sorgfältige Selektion, langjährige Beobachtung und der Wille zur Innovation den Weinbau zukunftsfähig machen. Ohne Pestizide, ohne Kompromisse bei der Qualität – dafür mit viel Geduld, Wissen und Pioniergeist. Diese Arbeit ist der Grundstein für die Zukunft des Weinbaus.

Transkript
Wir pflanzen aktuell die Sämlinge der neuesten Züchtungen von Valentin Blattner. Also die Mutterreben. Im Muttergarten in Hüttwilen. Ausserhalb der Rebbauzone, weil es sind alles Reben, die keine Unterlage haben, also keine Reblaus-Resistenz aufweisen, und dementsprechend können wir die auch nicht in einem normalen Weingarten pflanzen. Sondern wir machen das in einer Landwirtschaftszone. Wir hatten schon einen Muttergarten und ungefähr 450 verschiedene Sorten waren da drin. Meistens 5 Reben pro Sorte, manchmal auch 10 Reben pro Sorte. Und jetzt haben wir die wirklich herunter selektioniert auf elf Sorten, die schlussendlich alle unsere – wie soll ich sagen – alle unsere Attribute erfüllen für eine Super-Rebe. Die stehen jetzt aktuell noch hier drin, diese elf Sorten. Und die werden wir weiter beobachten. Nur schon 2021 war sehr feucht, 2022 sehr trocken, 2023 sehr trocken, 2024 sehr feucht. Das führte natürlich zu einer automatischen Selektion betreffend Pilzkrankheiten, beides – also Echter Mehltau, der eher trockenes Wetter mag, und Falscher Mehltau, der eher feuchtes Wetter mag. Ist beides aufgetreten hier drin, und diejenigen Pflanzen, welche das eine oder das andere – oder beides nicht Widerstand leisten konnten, die haben wir gnadenlos – leider muss man da sagen gnadenlos – ausgegraben. Es hatte aber auch Traubensorten drin, wo die Trauben selber nicht befriedigend waren. Oder irgendwie ganz starke Ranken hatten, zum Beispiel auch, oder unglaublich von den Blättern her gesehen – dicht waren. Das möchten wir auch nicht unbedingt, wir möchten eher eine lockere Laubwand haben. Es ist so, dass wir letzten Winter Holz geschnitten haben, um die Reben vegetativ weiter zu vermehren. Also genetisch gesehen haben wir dann mit diesem Holz dieselben Nachkommen. Und pro Sorte wird es vermutlich fast 200 Reben geben. Und die werden wir nächsten Frühling pflanzen, die werden dieses Jahr in der Rebschule draussen angezogen. Die kommen nächsten Frühling irgendwo bei uns in die Weingärten. Und wir behalten diese Reben hier einfach zur Sicherheit so lange, bis dort die Reben richtig in Ertrag kommen. Also das heisst, nochmal 3 oder 4 Jahre bleiben die hier stehen. Aber ich denke, länger nicht.

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