Blogbeitrag von Olivier Geissbühler
Delinat-Winzer Roland Lenz (im Bild hinten) hat mit seinen visionären Ideen und innovativen Ansätzen im Schweizer Weinbau schon mehrmals für Aufsehen gesorgt. Doch seine konsequenten Forderungen für mehr Ökologie passen nicht allen. Insbesondere der konservativ geprägten Bauernlobby im Schweizer Parlament ist der Thurgauer Winzer ein Dorn im Auge. Von politischen Vertretern wurde er deshalb auch schon der «gefährlichste Bauer der Schweiz» genannt. Nun wurde er gemeinsam mit dem Rebenzüchter und PIWI-Pionier Valentin Blattner (im Bild vorne) vom Bundesamt für Landwirtschaft eingeladen, um Lösungen für einen nachhaltigen Schweizer Weinbau zu präsentieren.
Im Mittelpunkt stand die konsequente Förderung von PIWIs, also von robusten Zukunftssorten. Der Neuanbau dieser Sorten wird seit 2022 zwar finanziell vom Bund unterstützt, doch gefördert werden in erster Linie etablierte, ältere PIWI-Sorten, welche nicht über die aktuellste Resistenzgenetik verfügen. Es gibt eine nationale Liste, welche PIWI-Sorten finanziell unterstützt werden (letzte Seite des verlinkten Dokuments). Aktuell sind es rund 40 verschiedene Sorten.
PIWI-Pioniere im Nachteil
Doch Winzerinnen und Winzer, die auf moderne Neuzüchtungen setzen oder bereits grossflächig PIWIs angepflanzt haben, erhalten weiterhin keine finanzielle Unterstützung. So zum Beispiel Roland Lenz: Er hat mittlerweile fast nur noch robuste Sorten in seinen Weinbergen angepflanzt, doch nie eine entsprechende Förderung erhalten. Geradezu lächerlich wirkt die kantonale Liste im Wallis, wo lediglich zwei PIWI-Sorten förderberechtigt sind, namentlich Divico und Divona. Ausgerechnet zwei Sorten, deren Resistenz nicht besonders verlässlich sind.
Trotzdem ist die Liste im Grundsatz eine gute Sache und das Vorhaben unterstützungswürdig, weil damit sämtliche Winzer mit den Vorteilen des PIWI-Anbaus informiert werden und sich somit zweimal überlegen, ob sie für eine finanzielle Unterstützung nicht doch die ökologischere Sorte anpflanzen sollen. Wichtig ist jedoch, dass die Liste ständig angepasst und erweitert wird, damit auch neuere Sorten schnell gefördert werden. Detaillierte und öffentlich einsehbare Sortenbeschriebe der neuen Sorten wären dafür notwendig, denn die Winzerinnen und Winzer müssen wissen, was sie pflanzen.
Bundesamt für Landwirtschaft steht hinter PIWIs – Interessenvertreter im Parlament erschweren Förderung
Das BLW müsse man von den Vorzügen der PIWI-Sorten nicht überzeugen, sagt Christian Hofer, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft, im Gespräch mit Roland Lenz und Valentin Blattner. Für das Bundesamt sei die Wichtigkeit dieser Sorten klar. Deshalb wird demnächst auch eine Delegation des BLW die Weingärten von Roland Lenz besuchen, um zu sehen, wie man im Einklang mit der Natur erfolgreich Wein produzieren kann. Bereits vor knapp zwei Jahren war Bundesrat Parmelin beim Weingut Lenz zu Besuch.
Das erklärte Ziel für die nächsten Jahre sei, den Anteil von aktuell 3-4 Prozent PIWI-Anbaufläche in der Schweiz deutlich zu erhöhen und damit den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Jedoch hätten diese Sorten bei einigen Interessensvertretern der Branche im Parlament immer noch einen sehr schweren Stand, was eine konsequente Förderung schwierig mache.
On-Farm-Research als günstige und effiziente Forschungsmethode nutzen
Valentin Blattner riet dem Bundesamt für Landwirtschaft, mehr On-Farm-Research zu betreiben, also bei der Forschung direkt die Winzerinnen und Winzer einzubeziehen, wie dies auch Delinat seit Jahrzehnten macht. Das sei im Normalfall günstiger und effizienter, als nur in eigenen Versuchsstationen Forschung zu betreiben. Valentin Blattners Züchtungserfolge beruhen auf diesem Konzept: Er gibt seine neugezüchteten Sorten den Winzern in verschiedenen Ländern Europas, welche sie an verschiedenen Standorten testen und deren Qualität prüfen.
Ausserdem müssten auch ökologische Pionierprojekte in einem breiteren Rahmen finanziell gefördert werden, denn ohne finanzielle Anreize sei meistens der Wille zur Innovation in der Landwirtschaft nicht da. Winzer wie Roland Lenz, welche die finanziellen, zeitlichen und fachlichen Ressourcen aufbringen, um eigenhändig Forschung zu betreiben und ökologische Innovationen innerhalb des eigenen Betriebes vorantreiben, bilden leider in der Schweizer Landwirtschaft immer noch die Ausnahme.