Sam Doncaster ist gebürtiger Engländer und blickt auf jahrzehntelange Erfahrung im internationalen Weinbausektor zurück. Was ihn in den letzten Jahren immer stärker interessiert, sind Weine aus neuen Traubensorten, also PIWIs. Bereits vor rund 30 Jahren lernte er in Neuseeland den Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner kennen und kam so das erste Mal in Kontakt mit pilzwiderstandsfähigen Traubensorten. Seither lässt ihn dieses Thema nicht mehr los, denn für ihn sind diese Sorten der Schlüssel für einen erfolgreichen Weinbau in seinem Heimatland. Seine Mission ist es, die besten Züchtungen von Valentin Blattner für das englische Klima auszuwählen und die neuen Sorten bei den dortigen Winzern bekannt zu machen.Er arbeitet bei der deutschen Rebschule Freytag und schreibt nebenbei für das englische Fachmagazin «Vineyard«.
Blogbeitrag von Olivier Geissbühler
Die Weinwelt ist in stetigem Wandel. Ein Trend, der sich in den letzten Jahren abzeichnet, ist die Verschiebung der Weinregionen in nördlichere Breitengrade. Dazu gehört auch England, Weinbau wird dort immer attraktiver. Die Rebfläche in Grossbritannien hat sich in den letzten acht Jahren mehr als verdoppelt, sie liegt im Jahr 2024 bei einer Gesamtfläche von rund 4200 Hektar. Trotzdem sind das immer noch vergleichsweise kleine Zahlen: Wein aus Grossbritannien deckt nur etwa ein Prozent des Eigenbedarfs im Vereinigten Königreich. Dies, obwohl vor allem der Absatz von Schaumwein aus England laufend steigt.
In den vergangenen Jahren haben englische Winzer ihre Fähigkeit zur Herstellung von qualitativ hochwertigem Schaumwein unter Beweis gestellt. Dies ist aufgrund des eher kühlen Klimas naheliegend. Doch nun richtet sich der Blick der englischen Winzer immer mehr auf die Produktion von erstklassigen trockenen Stillweinen. Die Herausforderung besteht darin, die idealen Rebsorten für das englische Klima zu finden. Denn traditionelle Traubensorten wie Pinot Noir sind in solchen Klimazonen nicht ideal im Anbau. Immer mehr englische Winzer merken, dass PIWI-Sorten besser an das englische Klima angepasst sind: Bereits rund 8 Prozent der Rebfläche sind mit robusten Sorten bestockt, was im Vergleich zu anderen Ländern ein hoher Anteil ist.
«Ich habe auf jeden Fall mehr Vertrauen in die Auswahl besserer Traubensorten als in langfristige Wettervorhersagen.»
Sam Doncaster, PIWI-Experte aus England
Die Auswahl der Rebsorte ist entscheidend
Der Engländer Sam Doncaster verbringt viel Zeit in der deutschen Rebschule Freytag, wo gemeinsam mit dem Züchter Valentin Blattner neue robuste Rebsorten gezüchtet werden, die weniger anfällig für Krankheiten sind und den aktuellsten ökologischen Anforderungen entsprechen. Diese neuen Sorten bieten nicht nur eine verbesserte Resistenz, sondern oft auch eine frühere Reifung, was den englischen Winzern entscheidend in die Karten spielt. Die zunehmende Akzeptanz dieser neuen Sorten und deren Potenzial für hochwertige Weine versprechen eine aufregende Zukunft für den englischen Weinbau.
Doch wie wird sich der Klimawandel auf den Weinbau in England auswirken? Sam Doncaster glaubt, dass für die Winzer die Auswahl geeigneter Rebsorten wichtiger ist als langfristige Wettervorhersagen. Trotz der Herausforderungen, die mit extremen Wetterereignissen verbunden sind, ist er zuversichtlich, dass die richtigen Sorten den Weinbau in England weiter vorantreiben werden.
Sind englische Weinfreunde bereit für PIWIs?
England ist auf dem Weg, sich als neuer Akteur in der globalen Weinwelt zu etablieren. Die Zukunft des englischen Weinbaus wird jedoch auch von den Vorlieben der Verbraucherinnen und Verbraucher geprägt sein. Während Traditionalisten weiterhin klassische Sorten bevorzugen mögen, gibt es laut Sam Doncaster jedoch eine wachsende Zahl von Menschen, die offen für neue Geschmacksrichtungen und innovative Weine sind.
Für England wäre ein konsequenter Fokus auf PIWIs eine grosse Chance. Mit der vermehrten Anpflanzung von neuen Rebsorten könnte die aufstrebende Weinregion mit einzigartigen, ökologischen und qualitativ hochwertigen Weinen überraschen. Sam Doncaster ist auf jeden Fall überzeugt, dass es einen Markt für PIWI-Weine aus England geben wird. Und er ist sich sicher, dass unter den Neuzüchtungen von Valentin Blattner einige Sorten darunter sind, welche sich hervorragend für den Weinbau in England eignen.
Ist Weinbau im Norden mit PIWI-Sorten die Zukunft? Schreibe deine Meinung in die Kommentare!
Ich habe immer grösseres Interesse, nach diesen neuen Sorten zu suchen,
sie geben uns die Möglichkeit,
bessere Weine in bestimmten Klimaregionen zu machen.
Und es ist wirklich interessant, hier bei der Rebschule Freytag zu sein diesen Morgen.
Es ist noch nicht einmal Ende August,
und wir haben schon einige Reben
mit fantastischer Farbe und einer wirklich guten Entwicklung.
Und das ist sehr interessant für mich als Engländer, denn ich werde
zurück nach England reisen und
mit den Menschen dort sprechen.
Die Menschen werden fragen:
Was ist neu und was funktioniert?
Und die Auswahl hier ist
fantastisch, und das finde
ich wirklich interessant.
Die Zukunft ist vielversprechend.
Weinbau in England wurde in den letzten Jahren immer populärer. Was waren die Entwicklungen der letzten Jahre?
Das ist eine gute Frage.
Das Interesse ist in der Tat gross.
Es gibt finanzielle
Unterstützung, Investitionen,
und das ist sehr gut.
Die Menschen haben gelernt, dass sie
aussergewöhnlich gute
Schaumweine herstellen können.
So eine Art Champagnerrichtung,
was faszinierend ist, weil
das zeigt uns, dass man etwas erreichen
kann, wenn man sich ein
bisschen anstrengt.
Interessant ist, dass mehr
Menschen jetzt versuchen,
stille Tafelweine herzustellen.
Ist es möglich, einen guten trockenen
Wein oder einen guten Rotwein herzustellen?
Und die Frage lautet: Welche
Rebsorten werden wir dafür verwenden?
Denn für Pinot Noir zum Beispiel ist das Klima nicht optimal,
er reift selten bis zur vollen Zufriedenheit.
Das ist der Grund, warum ich
immer mehr Zeit hier verbringe,
und schaue nach Möglichkeiten, die sich mit diesen neuen Sorten ergeben.
Und hier gibt es ein Zuchtprogramm
die neue Sorten hervorbringt, die
gegen Pilzbefall resistent sind.
Dies ist eine sehr gute
Sache für die Rentabilität,
weniger Chemikalien-Einsatz und ein Produkt herstellen, das in Einklang
mit den Umweltproblemen steht,
mit denen wir derzeit leben.
Aber interessanterweise führt die neue Genetik dieser Sorten
auch zu einer früheren Reifung,
und diese frühere Reifung ist es, die es den Leuten erlaubt, herauszufinden was die Möglichkeiten sein könnten.
Dies ist eine Zeit grosser Veränderungen
und Möglichkeiten, und ich denke, wir
haben eine Menge positiver
Aussichten für die Zukunft,
für diejenigen, die es ausprobieren wollen.
Erkennen viele englische Winzer, dass die neuen Sorten wegen früher Reife und Resistenz ein grosses Potenzial für gute Weine haben?
Nun, in den letzten zwei Jahren
war Volker Freytag mit der Rebschule Freytag
auf der Vineyard Magazine Show und hatte einen Stand, der absolut überlaufen war
von Hunderten von Menschen, die
PIWI-Wein probieren wollten.
Das Interesse ist nun geweckt.
Ich glaube nicht, dass
wirkliche Forschung diesbezüglich
im Vereinigten Königreich gemacht wird, es gibt zwar einige Versuchsflächen
die gepflanzt wurden, aber noch nicht viele Weine, die aus diesen neuen Sorten hergestellt wurden.
Aber in den nächsten ein bis drei Jahren wird es eine Menge geben.
Und das wird sehr interessant werden
wenn Menschen zusammenkommen und anfangen zu diskutieren:
Welche Sorte ist es? Wie hast du es gemacht?
Wie schneidet sie im Vergleich
zu bestehenden Sorten ab?
Weil es gibt verschiedene Sorten
die recht gut wachsen, wie Regent
und vielleicht Rondo.
Aber das ist ein bisschen so, als würde man über die Technik von 40-, 50-jährigen Autos sprechen.
Sie haben eine gewisse Genetik.
Sie stammen aus einem Zuchtprogramm,
Sie stammen aus einer Geschichte, die so
lange zurückliegt, dass wir
sie schon hinter uns gelassen haben.
Wir bewegen uns in ein Gebiet mit grösserem
Potenzial, weil wir jetzt über ein
besseres Zuchtprogramm verfügen.
Es gibt englische Winzer die bereits PIWI-Sorten von Valentin Blattner gepflanzt haben, was sind die Erfahrungen damit?
Ich denke, sie haben wahrscheinlich mitunter das beste Potenzial
weil Valentin früh in sein Zuchtprogramm eingestiegen ist,
mit einem Teil dieser Genetik, die
eine frühe Reifung bewirkt.
Und so zeigt sich, dass eine
ganze Reihe seiner Neuzüchtungen jetzt
einen guten Geschmack ergeben, eine gute Struktur und einen recht körperreichen, kräftigen Wein.
Und ja, der Cabernet Noir, den wir gestern Abend kosteten, war eine Überraschung, glaube ich,
sogar für den Winzer und den
Weinmacher, wie gut der Wein war.
Es war der erste Jahrgang aus diesem Weinberg und wir freuen
uns darauf, noch mehr davon erhalten.
Aber es gab auch Leute, die anderen Ratschläge gegeben haben, welche ein paar Reihen gepflanzt haben.
Es wird also in den nächsten zwei oder drei Jahren viele neue Weine geben.
Es wird sehr interessant werden.
Denkst du, dass in der Zukunft die PIWI-Sorten populär werden in England oder wird es eine Nische bleiben?
Die Antwort auf deine Frage lautet:
Klassische Vitis Vinifera Sorten reifen selten aus.
Das wissen wir ganz genau.
Und das wird sich nicht so schnell ändern.
Das ist ein bisschen so, als würde
man fragen: Kann man Tomaten anbauen?
Natürlich kann man Tomaten anbauen, aber
haben sie dieselbe Süsse und denselben vollen Geschmack?
Man braucht etwas, das einem dabei hilft.
Was der Welt des Weinbaus hilft, ist nicht die ständige Wiederholung mit Vitis Vinifera Sorten.
Wir müssen tatsächlich
ein wenig anderes Genmaterial einsetzen.
Damit wir eine etwas frühere Reifung haben.
Und diese Sorten werden viel früher reif.
Eigentlich ist das ein bisschen falsch,
wenn ich das sage, denn
sie können zwar früher reifen,
aber was wirklich passiert,
ist, dass man sie etwa
zur gleichen Zeit erntet, aber sie haben einen
längeren Zeitraum, um
mehr
Struktur, mehr Farbe, mehr Körper,
mehr Tiefe, mehr Interesse im Wein zu produzieren.
Und das ist das Interessante daran.
Mit den super sauberen Blättern, die nicht
viele Pilzinfektionen haben und andere Dinge, welche die Rebe zurückhalten,
kann man die Reben länger stehen
lassen, und die Trauben haben eine höhere
Chance, diese Konzentration
im Wein zu erreichen.
Und wir mögen oft einen roten
Tafelwein, den man als vollmundigen Charakter bezeichnen kann.
Sie haben etwas Tannin und
geben einfach mehr Zufriedenheit beim Trinken.
Denkst du, dass der Klimawandel den Weinbau in England in Zukunft vereinfachen wird?
Ich denke, das ist eine Frage,
die untersucht werden muss.
Ich denke auch, dass es ein wenig eine provokative Frage ist, denn der Ort ist eine Insel
Und wenn es wärmer wird, gibt
es einfach mehr Wolken.
Aber es ist wärmer.
Vielleicht eignet es sich dann besser
für den Kartoffelanbau?
Nein, aber mit Reben, ja, da wird es Zeitperioden geben mit mehr Sonnenschein,
Aber wir sehen auch Perioden,
in denen es grössere, extremere Veränderungen gibt,
Wenn Regen kommt, dann oft sehr stark, die Wolken sind sehr dick,
und auch die Sonne kann sehr intensiv sein.
Wir wissen nicht, was in
zehn Jahren passieren wird.
Ich setze mehr Vertrauen
in die tatsächliche Auswahl
von besseren Sorten als wenn es um
langfristige Wettervorhersagen geht.
Welche PIWI-Sorten würdest du einem Winzer in England empfehlen anzubauen?
Ich war sehr beeindruckt von diesem Cabernet Noir.
Und Sauvignac ist natürlich auch schon angepflanzt worden, wir sind gespannt, was dort passiert.
Möglicherweise hat er ein bisschen
zu viel Säure, aber das kann man beheben.
Das ist nur eine technische Frage.
Ich mag die Aromen des Cabernet Blanc.
Es ist eine ziemlich unbeständige
Sorte und schwierig, den richtigen
Ertrag zu bekommen, aber mit
einer guten Bodenbearbeitung
ist das machbar.
Es gibt noch ein oder zwei
andere Sorten, die sehr interessant sein könnten,
aber noch nicht in grossem Umfang angepflanzt worden sind.
Es gibt einige, aber das sind nur Versuchsflächen.
Und das Beste ist wirklich zu einem Ort wie der Freytag Rebschule zu kommen und einige der Weine zu probieren,
also einige der Forschungsweine, die sie haben.
Und vielleicht direkt die Versuchsflächen mit den neuen Sorten anschauen gehen,
und die Trauben direkt an den Rebstöcken probieren.
Aber es gibt 10, 20, 30 gute Sorten, die derzeit im Forschungsprogramm selektiert werden.
Zu viele, um sie alle beim Namen zu nennen.
Sind in nordischen Ländern wie Dänemark oder Schweden ähnliche Entwicklungen zu erwarten?
Ja die nordischen Länder, von Dänemark ausgehend, dort ist das Interesse sehr gross,
Es besteht weiterhin grosses Interesse, und einige dieser wirklich früh reifenden Sorten
wie Solaris oder Muscaris, funktionieren schon ziemlich gut dort oben.
Dort wurde schon eine Menge dieser Sorten gepflanzt,
viele Englisch sprechenden Menschen sind sich dessen wahrscheinlich gar nicht bewusst.
Es sind nicht nur kleine Versuchsflächen,
es gibt auch einige grössere Anpflanzungen,
die viel Aufmerksamkeit erregen werden.
Es ist kein Problem, eine entsprechende Ausbildung zu machen und dann die Dinge ein wenig anzupassen.
Die Weinbereitung wird gut sein, die Ausrüstung wird neu sein,
die Weine werden die Interpretation dessen sein, was man dort mit den Trauben machen kann.
Und ich freue mich darauf,
diese Weine zu probieren,
denn ich glaube nicht, dass
es zu viele Fehler geben wird.
Sin die Konsumenten in England bereit für PIWI-Weine oder werden immer noch die klassischen Traubensorten bevorzugt?
Man muss nur im Supermarkt einen Gang entlang laufen und sich all die neuen Produkte anschauen:
Wenn man sich die alternativen Produkte für Milch ansieht, dann sieht man den Trend weg von Milchprodukten,
es gibt eine Menge Alternativen, die aus verschiedenen Bohnen, Nüssen und Ähnlichem hergestellt werden.
Dies zeigt, dass die Menschen sich über eine Veränderung freuen,
insbesondere wenn es gute Gründe dafür gibt, etwas zu unterstützen,
oder vielleicht gibt es einen gesundheitlichen Aspekt, um diese Alternativen zu bevorzugen.
Aber in Bezug auf den Wein, ja,
es wird weiterhin Traditionalisten geben,
eine Menge traditioneller Menschen werden sagen, ich mag einen guten Burgunder,
der funktioniert für mich, ich
will nichts anderes ausprobieren.
Gut. Sollen Sie weiter Ihren Burgunder kaufen.
Das ist kein Problem.
Denn es werden mehr Menschen
kommen, vielleicht jüngere Menschen,
vielleicht Menschen, die gereist sind,
vielleicht Menschen, die schon viele verschiedene Erfahrungen gemacht haben
Diese Menschen sind offener und
empfänglicher.
Das Vereinigte Königreich nähert
sich jetzt 70 Millionen Menschen.
Sie stellen nur einen winzigen Bruchteil
des Weines her, den sie trinken.
Es ist eine Wein trinkende Nation.
Darunter wird es Hunderttausende
von Menschen geben,
die sich über neue Möglichkeiten
der Weinherstellung freuen.
Abschliessend: Was sind die grössten Vorteile für englische Winzer, die diese neuen Sorten anbauen?
Alles, was mit einem Traktor
gemacht wird, ist teuer.
Ich meine, man stellt jemanden ein, der ihn fährt, man muss in ihn investieren.
Er muss für dies und das
und vieles mehr taugen.
Dazu kommt der Einsatz von Chemikalien
und man muss immer wieder Pflanzenschutzmittel ausbringen und durch die Rebberge fahren.
Wir können also einen Großteil dieser Arbeit einsparen haben etwas, das funktioniert
und mit ein paar wenigen einfachen Schwefel-Behandlungen jährlich auskommt.
Das ist eine grosse finanzielle Ersparnis und es ist eine gute Sache.
Wir sehen auch, dass einige dieser neuen Sorten ungewöhnlich hohe Erträge haben.
Wir wissen also, dass wir das ein bisschen runterschrauben können,
um ein Gleichgewicht zwischen
Quantität und Qualität zu erreichen.
Aber ich kann einfach sagen, wenn die
Leute mit ihrem Pinot Noir zufrieden sind,
dann kann ich zwei- bis dreimal so viel
Ertrag haben, und das ist gut fürs Geschäft.
Wählen Sie einige dieser neuen Sorten
und die Geschäftsaussichten
sind wesentlich besser.
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