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PIWI-Sorten als Schlüssel für Weinbau im Norden

Sam Doncaster ist gebürtiger Engländer und blickt auf jahrzehntelange Erfahrung im internationalen Weinbausektor zurück. Was ihn in den letzten Jahren immer stärker interessiert, sind Weine aus neuen Traubensorten, also PIWIs. Bereits vor rund 30 Jahren lernte er in Neuseeland den Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner kennen und kam so das erste Mal in Kontakt mit pilzwiderstandsfähigen Traubensorten. Seither lässt ihn dieses Thema nicht mehr los, denn für ihn sind diese Sorten der Schlüssel für einen erfolgreichen Weinbau in seinem Heimatland. Seine Mission ist es, die besten Züchtungen von Valentin Blattner für das englische Klima auszuwählen und die neuen Sorten bei den dortigen Winzern bekannt zu machen. Er arbeitet bei der deutschen Rebschule Freytag und schreibt nebenbei für das englische Fachmagazin «Vineyard«.

Blogbeitrag von Olivier Geissbühler

Die Weinwelt ist in stetigem Wandel. Ein Trend, der sich in den letzten Jahren abzeichnet, ist die Verschiebung der Weinregionen in nördlichere Breitengrade. Dazu gehört auch England, Weinbau wird dort immer attraktiver. Die Rebfläche in Grossbritannien hat sich bis ins Jahr 2022 mit einer Gesamtfläche von rund 3758 Hektar verdoppelt, und das in nur acht Jahren. Trotzdem sind das immer noch vergleichsweise kleine Zahlen: Wein aus Grossbritannien deckt nur etwa ein Prozent des Eigenbedarfs im Vereinigten Königreich.

«Ich habe auf jeden Fall mehr Vertrauen in die Auswahl besserer Traubensorten als in langfristige Wettervorhersagen.»

Sam Doncaster, PIWI-Experte aus England
V.l.: Volker Freytag, Valentin Blattner und Sam Doncaster mit den neuen Traubensorten.

Die Auswahl der Rebsorte ist entscheidend

Der Engländer Sam Doncaster verbringt viel Zeit in der deutschen Rebschule Freytag, wo gemeinsam mit dem Züchter Valentin Blattner neue robuste Rebsorten gezüchtet werden, die weniger anfällig für Krankheiten sind und den aktuellsten ökologischen Anforderungen entsprechen. Diese neuen Sorten bieten nicht nur eine verbesserte Resistenz, sondern oft auch eine frühere Reifung, was den englischen Winzern entscheidend in die Karten spielt. Die zunehmende Akzeptanz dieser neuen Sorten und deren Potenzial für hochwertige Weine versprechen eine aufregende Zukunft für den englischen Weinbau.

Doch wie wird sich der Klimawandel auf den Weinbau in England auswirken? Sam Doncaster glaubt, dass für die Winzer die Auswahl geeigneter Rebsorten wichtiger ist als langfristige Wettervorhersagen. Trotz der Herausforderungen, die mit extremen Wetterereignissen verbunden sind, ist er zuversichtlich, dass die richtigen Sorten den Weinbau in England weiter vorantreiben werden.

Sind englische Weinfreunde bereit für PIWIs?

England ist auf dem Weg, sich als neuer Akteur in der globalen Weinwelt zu etablieren. Die Zukunft des englischen Weinbaus wird jedoch auch von den Vorlieben der Verbraucherinnen und Verbraucher geprägt sein. Während Traditionalisten weiterhin klassische Sorten bevorzugen mögen, gibt es laut Sam Doncaster jedoch eine wachsende Zahl von Menschen, die offen für neue Geschmacksrichtungen und innovative Weine sind.

Für England wäre ein konsequenter Fokus auf PIWIs eine grosse Chance. Mit der vermehrten Anpflanzung von neuen Rebsorten könnte die aufstrebende Weinregion mit einzigartigen, ökologischen und qualitativ hochwertigen Weinen überraschen. Sam Doncaster ist auf jeden Fall überzeugt, dass es einen Markt für PIWI-Weine aus England geben wird. Und er ist sich sicher, dass unter den Neuzüchtungen von Valentin Blattner einige Sorten darunter sind, welche sich hervorragend für den Weinbau in England eignen.

Ist Weinbau im Norden mit PIWI-Sorten die Zukunft? Schreibe deine Meinung in die Kommentare!

Transkript
Ich habe immer grösseres Interesse, nach diesen neuen Sorten zu suchen, sie geben uns die Möglichkeit, bessere Weine in bestimmten Klimaregionen zu machen. Und es ist wirklich interessant, hier bei der Rebschule Freytag zu sein diesen Morgen. Es ist noch nicht einmal Ende August, und wir haben schon einige Reben mit fantastischer Farbe und einer wirklich guten Entwicklung. Und das ist sehr interessant für mich als Engländer, denn ich werde zurück nach England reisen und mit den Menschen dort sprechen. Die Menschen werden fragen: Was ist neu und was funktioniert? Und die Auswahl hier ist fantastisch, und das finde ich wirklich interessant. Die Zukunft ist vielversprechend. Weinbau in England wurde in den letzten Jahren immer populärer. Was waren die Entwicklungen der letzten Jahre? Das ist eine gute Frage. Das Interesse ist in der Tat gross. Es gibt finanzielle Unterstützung, Investitionen, und das ist sehr gut. Die Menschen haben gelernt, dass sie aussergewöhnlich gute Schaumweine herstellen können. So eine Art Champagnerrichtung, was faszinierend ist, weil das zeigt uns, dass man etwas erreichen kann, wenn man sich ein bisschen anstrengt. Interessant ist, dass mehr Menschen jetzt versuchen, stille Tafelweine herzustellen. Ist es möglich, einen guten trockenen Wein oder einen guten Rotwein herzustellen? Und die Frage lautet: Welche Rebsorten werden wir dafür verwenden? Denn für Pinot Noir zum Beispiel ist das Klima nicht optimal, er reift selten bis zur vollen Zufriedenheit. Das ist der Grund, warum ich immer mehr Zeit hier verbringe, und schaue nach Möglichkeiten, die sich mit diesen neuen Sorten ergeben. Und hier gibt es ein Zuchtprogramm die neue Sorten hervorbringt, die gegen Pilzbefall resistent sind. Dies ist eine sehr gute Sache für die Rentabilität, weniger Chemikalien-Einsatz und ein Produkt herstellen, das in Einklang mit den Umweltproblemen steht, mit denen wir derzeit leben. Aber interessanterweise führt die neue Genetik dieser Sorten auch zu einer früheren Reifung, und diese frühere Reifung ist es, die es den Leuten erlaubt, herauszufinden was die Möglichkeiten sein könnten. Dies ist eine Zeit grosser Veränderungen und Möglichkeiten, und ich denke, wir haben eine Menge positiver Aussichten für die Zukunft, für diejenigen, die es ausprobieren wollen. Erkennen viele englische Winzer, dass die neuen Sorten wegen früher Reife und Resistenz ein grosses Potenzial für gute Weine haben? Nun, in den letzten zwei Jahren war Volker Freytag mit der Rebschule Freytag auf der Vineyard Magazine Show und hatte einen Stand, der absolut überlaufen war von Hunderten von Menschen, die PIWI-Wein probieren wollten. Das Interesse ist nun geweckt. Ich glaube nicht, dass wirkliche Forschung diesbezüglich im Vereinigten Königreich gemacht wird, es gibt zwar einige Versuchsflächen die gepflanzt wurden, aber noch nicht viele Weine, die aus diesen neuen Sorten hergestellt wurden. Aber in den nächsten ein bis drei Jahren wird es eine Menge geben. Und das wird sehr interessant werden wenn Menschen zusammenkommen und anfangen zu diskutieren: Welche Sorte ist es? Wie hast du es gemacht? Wie schneidet sie im Vergleich zu bestehenden Sorten ab? Weil es gibt verschiedene Sorten die recht gut wachsen, wie Regent und vielleicht Rondo. Aber das ist ein bisschen so, als würde man über die Technik von 40-, 50-jährigen Autos sprechen. Sie haben eine gewisse Genetik. Sie stammen aus einem Zuchtprogramm, Sie stammen aus einer Geschichte, die so lange zurückliegt, dass wir sie schon hinter uns gelassen haben. Wir bewegen uns in ein Gebiet mit grösserem Potenzial, weil wir jetzt über ein besseres Zuchtprogramm verfügen. Es gibt englische Winzer die bereits PIWI-Sorten von Valentin Blattner gepflanzt haben, was sind die Erfahrungen damit? Ich denke, sie haben wahrscheinlich mitunter das beste Potenzial weil Valentin früh in sein Zuchtprogramm eingestiegen ist, mit einem Teil dieser Genetik, die eine frühe Reifung bewirkt. Und so zeigt sich, dass eine ganze Reihe seiner Neuzüchtungen jetzt einen guten Geschmack ergeben, eine gute Struktur und einen recht körperreichen, kräftigen Wein. Und ja, der Cabernet Noir, den wir gestern Abend kosteten, war eine Überraschung, glaube ich, sogar für den Winzer und den Weinmacher, wie gut der Wein war. Es war der erste Jahrgang aus diesem Weinberg und wir freuen uns darauf, noch mehr davon erhalten. Aber es gab auch Leute, die anderen Ratschläge gegeben haben, welche ein paar Reihen gepflanzt haben. Es wird also in den nächsten zwei oder drei Jahren viele neue Weine geben. Es wird sehr interessant werden. Denkst du, dass in der Zukunft die PIWI-Sorten populär werden in England oder wird es eine Nische bleiben? Die Antwort auf deine Frage lautet: Klassische Vitis Vinifera Sorten reifen selten aus. Das wissen wir ganz genau. Und das wird sich nicht so schnell ändern. Das ist ein bisschen so, als würde man fragen: Kann man Tomaten anbauen? Natürlich kann man Tomaten anbauen, aber haben sie dieselbe Süsse und denselben vollen Geschmack? Man braucht etwas, das einem dabei hilft. Was der Welt des Weinbaus hilft, ist nicht die ständige Wiederholung mit Vitis Vinifera Sorten. Wir müssen tatsächlich ein wenig anderes Genmaterial einsetzen. Damit wir eine etwas frühere Reifung haben. Und diese Sorten werden viel früher reif. Eigentlich ist das ein bisschen falsch, wenn ich das sage, denn sie können zwar früher reifen, aber was wirklich passiert, ist, dass man sie etwa zur gleichen Zeit erntet, aber sie haben einen längeren Zeitraum, um mehr Struktur, mehr Farbe, mehr Körper, mehr Tiefe, mehr Interesse im Wein zu produzieren. Und das ist das Interessante daran. Mit den super sauberen Blättern, die nicht viele Pilzinfektionen haben und andere Dinge, welche die Rebe zurückhalten, kann man die Reben länger stehen lassen, und die Trauben haben eine höhere Chance, diese Konzentration im Wein zu erreichen. Und wir mögen oft einen roten Tafelwein, den man als vollmundigen Charakter bezeichnen kann. Sie haben etwas Tannin und geben einfach mehr Zufriedenheit beim Trinken. Denkst du, dass der Klimawandel den Weinbau in England in Zukunft vereinfachen wird? Ich denke, das ist eine Frage, die untersucht werden muss. Ich denke auch, dass es ein wenig eine provokative Frage ist, denn der Ort ist eine Insel Und wenn es wärmer wird, gibt es einfach mehr Wolken. Aber es ist wärmer. Vielleicht eignet es sich dann besser für den Kartoffelanbau? Nein, aber mit Reben, ja, da wird es Zeitperioden geben mit mehr Sonnenschein, Aber wir sehen auch Perioden, in denen es grössere, extremere Veränderungen gibt, Wenn Regen kommt, dann oft sehr stark, die Wolken sind sehr dick, und auch die Sonne kann sehr intensiv sein. Wir wissen nicht, was in zehn Jahren passieren wird. Ich setze mehr Vertrauen in die tatsächliche Auswahl von besseren Sorten als wenn es um langfristige Wettervorhersagen geht. Welche PIWI-Sorten würdest du einem Winzer in England empfehlen anzubauen? Ich war sehr beeindruckt von diesem Cabernet Noir. Und Sauvignac ist natürlich auch schon angepflanzt worden, wir sind gespannt, was dort passiert. Möglicherweise hat er ein bisschen zu viel Säure, aber das kann man beheben. Das ist nur eine technische Frage. Ich mag die Aromen des Cabernet Blanc. Es ist eine ziemlich unbeständige Sorte und schwierig, den richtigen Ertrag zu bekommen, aber mit einer guten Bodenbearbeitung ist das machbar. Es gibt noch ein oder zwei andere Sorten, die sehr interessant sein könnten, aber noch nicht in grossem Umfang angepflanzt worden sind. Es gibt einige, aber das sind nur Versuchsflächen. Und das Beste ist wirklich zu einem Ort wie der Freytag Rebschule zu kommen und einige der Weine zu probieren, also einige der Forschungsweine, die sie haben. Und vielleicht direkt die Versuchsflächen mit den neuen Sorten anschauen gehen, und die Trauben direkt an den Rebstöcken probieren. Aber es gibt 10, 20, 30 gute Sorten, die derzeit im Forschungsprogramm selektiert werden. Zu viele, um sie alle beim Namen zu nennen. Sind in nordischen Ländern wie Dänemark oder Schweden ähnliche Entwicklungen zu erwarten? Ja die nordischen Länder, von Dänemark ausgehend, dort ist das Interesse sehr gross, Es besteht weiterhin grosses Interesse, und einige dieser wirklich früh reifenden Sorten wie Solaris oder Muscaris, funktionieren schon ziemlich gut dort oben. Dort wurde schon eine Menge dieser Sorten gepflanzt, viele Englisch sprechenden Menschen sind sich dessen wahrscheinlich gar nicht bewusst. Es sind nicht nur kleine Versuchsflächen, es gibt auch einige grössere Anpflanzungen, die viel Aufmerksamkeit erregen werden. Es ist kein Problem, eine entsprechende Ausbildung zu machen und dann die Dinge ein wenig anzupassen. Die Weinbereitung wird gut sein, die Ausrüstung wird neu sein, die Weine werden die Interpretation dessen sein, was man dort mit den Trauben machen kann. Und ich freue mich darauf, diese Weine zu probieren, denn ich glaube nicht, dass es zu viele Fehler geben wird. Sin die Konsumenten in England bereit für PIWI-Weine oder werden immer noch die klassischen Traubensorten bevorzugt? Man muss nur im Supermarkt einen Gang entlang laufen und sich all die neuen Produkte anschauen: Wenn man sich die alternativen Produkte für Milch ansieht, dann sieht man den Trend weg von Milchprodukten, es gibt eine Menge Alternativen, die aus verschiedenen Bohnen, Nüssen und Ähnlichem hergestellt werden. Dies zeigt, dass die Menschen sich über eine Veränderung freuen, insbesondere wenn es gute Gründe dafür gibt, etwas zu unterstützen, oder vielleicht gibt es einen gesundheitlichen Aspekt, um diese Alternativen zu bevorzugen. Aber in Bezug auf den Wein, ja, es wird weiterhin Traditionalisten geben, eine Menge traditioneller Menschen werden sagen, ich mag einen guten Burgunder, der funktioniert für mich, ich will nichts anderes ausprobieren. Gut. Sollen Sie weiter Ihren Burgunder kaufen. Das ist kein Problem. Denn es werden mehr Menschen kommen, vielleicht jüngere Menschen, vielleicht Menschen, die gereist sind, vielleicht Menschen, die schon viele verschiedene Erfahrungen gemacht haben Diese Menschen sind offener und empfänglicher. Das Vereinigte Königreich nähert sich jetzt 70 Millionen Menschen. Sie stellen nur einen winzigen Bruchteil des Weines her, den sie trinken. Es ist eine Wein trinkende Nation. Darunter wird es Hunderttausende von Menschen geben, die sich über neue Möglichkeiten der Weinherstellung freuen. Abschliessend: Was sind die grössten Vorteile für englische Winzer, die diese neuen Sorten anbauen? Alles, was mit einem Traktor gemacht wird, ist teuer. Ich meine, man stellt jemanden ein, der ihn fährt, man muss in ihn investieren. Er muss für dies und das und vieles mehr taugen. Dazu kommt der Einsatz von Chemikalien und man muss immer wieder Pflanzenschutzmittel ausbringen und durch die Rebberge fahren. Wir können also einen Großteil dieser Arbeit einsparen haben etwas, das funktioniert und mit ein paar wenigen einfachen Schwefel-Behandlungen jährlich auskommt. Das ist eine grosse finanzielle Ersparnis und es ist eine gute Sache. Wir sehen auch, dass einige dieser neuen Sorten ungewöhnlich hohe Erträge haben. Wir wissen also, dass wir das ein bisschen runterschrauben können, um ein Gleichgewicht zwischen Quantität und Qualität zu erreichen. Aber ich kann einfach sagen, wenn die Leute mit ihrem Pinot Noir zufrieden sind, dann kann ich zwei- bis dreimal so viel Ertrag haben, und das ist gut fürs Geschäft. Wählen Sie einige dieser neuen Sorten und die Geschäftsaussichten sind wesentlich besser.

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