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PIWI-Züchtung: So entsteht eine neue Rebsorte

Blogbeitrag von Olivier Geissbühler

Anfang Juni ist eine wichtige Zeit für den Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner. Er muss den perfekten Zeitpunkt direkt vor der Rebenblüte abwarten. Kurz vor der Blüte, wenn die Blumen noch geschlossen sind, können sie nämlich «kastriert» und anschliessend von Hand mit dem Pollen einer anderen Rebe bestäubt werden. Das ist die Geburtsstunde einer neuen PIWI-Züchtung.

Das Ziel ist dabei, die besten Eigenschaften der Muttersorte mit den besten Eigenschaften der Vatersorte zu kombinieren. Das klappt jedoch nur selten; die meisten Neuzüchtungen bringen Sorten hervor, die bezüglich Resistenz und Traubenqualität nicht die erwünschten Anforderungen erfüllen. Sie werden im Züchtungsprozess so früh wie möglich ausselektiert.

Üblicherweise haben traditionelle Rebsorten zwittrige, also zweigeschlechtliche Blüten. Das heisst, sie können sich selbst bestäuben, obwohl theoretisch auch eine Fremdbestäubung durch Bienen oder Wind möglich ist. Die zwittrige Blüte wirft dabei ihr Käppchen ab, damit sie den Staubbeutel öffnen kann. Nun kann der Pollenstaub auf die Narbe (das «weibliche» Geschlechtsteil der Blüte) fallen und die Blüte sich selbst bestäuben. So wird sichergestellt, dass die Reben jedes Jahr befruchtet werden und einen konstanten Ertrag an Trauben liefern.

Bei der Züchtung von neuen, robusten Rebsorten hingegen soll genau dieser «automatische Vorgang» verhindert werden: Stattdessen soll die Blüte mit dem Pollen einer anderen Sorte von Hand bestäubt werden. Nur so kann eine PIWI-Züchtung entstehen, welche robust gegenüber Pilzkrankheiten ist.

Im Juni 2023 war der Weinblogger Max Pestemer zu Besuch bei der Rebschule Freytag, um einen Einblick in die Züchtungsarbeit von Valentin Blattner zu erhalten. Wir verbrachten gemeinsam einen spannenden Nachmittag mir Rebenzüchten, Fachsimpeln und natürlich einer Verkostung von verschiedenen PIWI-Weinen. Mehr dazu liest du auf Max Pestemers Blog vinaet.de.

Europäische Rebsorten sind krankheitsanfällige Klone

Doch wieso braucht es überhaupt eine manuelle Bestäubung? Das Problem ist, dass traditionelle Rebsorten in der Regel nur vegetativ vermehrt werden. Das heisst, aus dem Holz einer Sorte werden immer neue Reben «geklont», aber die Genetik der Sorte bleibt (über Jahrhunderte) dieselbe. Somit konnten sich Sorten wie Pinot Noir oder Merlot nie genetisch an äussere Einflüsse und Krankheiten anpassen. Das ist mit ein Grund, weshalb herkömmliche Rebsorten krankheitsanfällig sind und intensiven Pflanzenschutz benötigen.

Mit der klassischen Rebenzüchtung wird versucht, die natürlichen Resistenzmechanismen aus Wildreben in europäische Sorten hinein zu züchten. Und das ist nur möglich, wenn man gezielt den Pollen einer Rebe mit den vorhandenen Resistenzen auf die Blüte einer Mutterrebe aufbringt. Anschliessend verpackt man die bestäubte Blüte mit einem Papiersack, damit sie nicht noch mit weiterem, unerwünschten Pollen in Kontakt kommt.

Im Herbst wachsen dann in diesem Papiersack Trauben heran, welche Kerne mit der neuen Genetik enthalten. Diese werden ausgewaschen und über den Winter in einem Treibhaus zu Jungpflanzen herangezogen. Die Neuzüchtungen werden anschliessend im nächsten Frühling in einem Feld ausgepflanzt. Dort beginnt die Selektion: Nur die besten Pflanzen mit der stärksten Resistenzgenetik überleben die mehrjährige Auswahl. Und am Schluss müssen sie sich auch im Glas beweisen. Mittels einer Mikrovinifikation wird getestet, ob aus einer PIWI-Züchtung ein guter Wein entsteht. Erst wenn auch die Weinqualität überzeugt, wird eine Sorte für die Winzer auf den Markt gebracht.

Hast du eine Frage zur Züchtung von PIWI-Sorten? Schreibe sie in die Kommentare!

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