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Neue Gentechnik vs. klassische Rebenzüchtung

Die klassische Rebenzüchtung von pilzwiderstandsfähigen Sorten (PIWIs) hat nichts mit Gentechnik zu tun. Es werden lediglich zwei verschiedene Rebsorten miteinander gekreuzt, um daraus Nachkommen zu kriegen. Diese vereinen im Optimalfall die besten Eigenschaften der beiden Eltern. Bei neuen robusten Rebsorten ist meistens ein Elternteil eine traditionelle, europäische Sorte und der andere eine pilzresistente Sorte, welche ursprünglich von einer Wildrebe abstammt.

Dieser Züchtungsprozess dauert sehr lange, denn nur diejenigen Nachkommen mit den besten Eigenschaften haben das Zeug für eine marktfähige Rebsorte. Um diesen Prozess der Rebenzüchtung etwas zu beschleunigen, ist die Molekularbiologie hilfreich. Sie kann die DNA der Neuzüchtungen analysieren und liefert Informationen zum Erbgut der Pflanzen. Während die Rebenzüchter früher über mehrere Jahre hinweg die Pflanzen beobachten mussten, um die Krankheitsresistenzen herauszufinden, kann dies heute mit modernen Technologien in kurzer Zeit herausgefunden werden.

Bei der IDENTXX GmbH in Stuttgart lässt der Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner seine PIWI-Sorten auf ihre Resistenzmechanismen prüfen. Der Molekularbiologe und Phytopathologe Dr. Frank Brändle erklärt im Videointerview, wieso diese Arbeit nichts mit Gentechnik zu tun hat. Und wieso pilzwiderstandsfähige Rebsorten mit mehreren Resistenzen für die Zukunft besser gewappnet sind als Reben, die mit chemisch-synthetischen Pestiziden behandelt werden.

Transkript
Die Molekularbiologie, die wir hier jetzt machen, die nutzt die Erbinformationen, um das zu analysieren, aber die verändert die Erbinformationen nicht. Ganz generell: Gentechnik heisst Veränderung. Ich nehme was, verändere es und bringe es wieder zurück. Bei der klassischen Züchtung wird das vorhandene Gen-Material genommen, also Mutter und Vater, und dann wird gekreuzt. Und die Nachkommen werden dann weitergezogen und selektiert: Selektiert heisst, es wird in dem Fall im Weinberg einer natürlichen Umgebung ausgesetzt und dann wird geguckt: Sind die Eigenschaften, die man haben möchte, da auch drin. Die Molekularbiologie, die wir hier jetzt machen, die nutzt die Erbinformationen, um das zu analysieren, aber die verändert die Erbinformationen nicht. Das heisst, das ist nur ein Analyse-Tool, wie wenn man ein Buch aufschlägt, und sagt: Was steht auf der Seite 12, da können wir dann nachlesen, auf der Seite 12 steht dies und das, machen nachher wieder das Buch zu - fertig. Gentechnik wäre, wenn ich jetzt hergehe, das Buch aufschlage, ich nehme da eine Seite raus - nehme das andere Buch, schlage es auf, tu es da rein, mache es zu - dann habe ich es verändert. Hier ist es so, dass die Molekularbiologie wirklich nur als Analyse-Tool genutzt wird, Und die klassische Züchtung draussen im Weinberg, die findet nach wie vor ganz klassisch statt. Die Pflanze ist ja schon von Haus aus - die hat schon eine Evolution hinter sich, das heisst da ist ein grosses genetisches Potenzial da. Mann muss sich auch vorstellen: dass eine Pflanze - die ist lokal: Die kann nicht weglaufen, also wenn Gefahren drohen dann bleibt die da vor Ort, die kann nicht weglaufen wie Tiere oder Menschen. Im Umkehrschluss: Sie muss fähig sein, sich den Umweltbedingungen, die sich ändern, zu erwehren - das macht sie mit ihrer genetischen Ausstattung, mit ihrer Chemie. Die Pflanzen, die es heute gibt, die haben eine lange evolutionäre Geschichte, und ein ganz grosses Arsenal an Möglichkeiten, um sich dagegen zu wehren: Kältestress, Trockenstress, Pathogene spielen eine Rolle, also Pilze, Bakterien und auch Viren spielen eine grosse Rolle. Also das Potenzial ist da, wir müssen sie einfach nur heben, das macht die Züchtung. Wir können das Potenzial, das die Natur sowieso schon da hat, nutzbar machen, um daraus Sorten zu züchten, die nutzbar sind. In Zukunft ist es natürlich total wichtig, jetzt auch mit dem Thema Klimawandel, dass man einfach robuste Sorten einsetzt, die unter diesen neuen Bedingungen auch noch guten Ertrag bringen, die auch unter diesen veränderten Bedingungen noch das machen, was wir brauchen, das was wir wollen. Und natürlich mit dem Thema Pilzresistenz, Thema Pflanzenschutz, das heisst, so wenig Chemie wie möglich draussen auszubringen, beziehungsweise die Reduktion dessen, was man als Mensch zusätzlich eingreifen muss, da bietet eine robuste Sorte einfach viele Vorteile. Und das braucht einfach Zeit, da muss man jetzt schon vorplanen für die kommenden Generationen. Weil so eine Züchtung die dauert einfach ihre Zeit. Zunächst mal ist es so, dass natürlich die Pflanze immer auch gestresst wird. Wenn ich da eine Substanz aufbringe, die für die Pflanze fremd ist, dann reagiert sie automatisch, dann ist sie gestresst, das heisst, sie zieht das natürlich auch aus ihrer Fruchtproduktion ab, das heisst, da geht erstmal die Energie hin, zur Verarbeitung des ganzen. Aber was natürlich die Pestizide auch machen: Sie wirken ja gegen die Organismen die man nicht haben möchte. Also zum Beispiel Pilze. Heisst, man möchte das Wachstum des Pilzes verhindern. Wenn man jetzt eine Chemie her nimmt, und der Pilz sagt: Okay, damit komme ich jetzt nicht mehr so gut zurecht, dann packe ich mein genetisches Arsenal aus und passe mich da an. Das heisst, bei hochspezialisiertem Werkzeug, was die Agrarchemie ja ist, da hat die Evolution auch Werkzeuge, um sich dagegen zu wehren. Das heisst, wenn ich ein paar Jahre ein Mittel einsetzen kann, dann kann sein, dass irgendwann, werden die Pilze, oder die Organismen, resistent dagegen. Das heisst, wenn ich jetzt eine robuste Sorte habe, wo dann der Pilz her kommt und sagt, okay, ich treffe jetzt hier auf eine Weinrebe, die hat hier verschiedene Resistenz-Mechanismen drin, da tue ich mich schwer, da komme ich dann her und sage: Okay, Resistenz-Mechanismus 1, da komme ich nicht hin, Resistenz-Mechanismus 2, das klappt ja auch nicht, da fühle ich mich nicht wohl, da möchte ich nicht wohnen, da möchte ich nicht parasitieren. Und die Komplexität: Vorher, die Chemie hat einfach ein ein ganz starkes, ein ganz scharfes Schwert, das nur an einer Stelle schneidet. Eine robuste Sorte ist breit aufgestellt, und hat dann einfach eine grössere - wie der Name schon sagt - Robustheit gegen das genetische Potenzial, was das Pathogen mitbringt. Das heisst, robuste Sorten sollten einfach länger halten draussen im Weinberg gegen den Ansturm von Pathogenen.

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