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Was taugt die «neue» PIWI-Sorte Calardis musqué?

Blogbeitrag von Olivier Geissbühler

Dass die Züchtung einer neuen PIWI-Sorte oft mehrere Jahrzehnte dauert, ist bekannt. Aber dass eine Rebsorte erst 59 Jahre nach der Züchtung den Sortenschutz verliehen bekommt, ist doch eher ungewöhnlich. Dies ist bei der neuen Sorte «Calardis musqué» der Fall: Sie wurde bereits im Jahr 1964 am Geilweilerhof in Siebeldingen gezüchtet. Erst jetzt, im April 2023, hat sie den Sortenschutz erhalten. Der Grund dafür war ein langes Zögern zur Anmeldung der Sorte: Erst im Jahr 2018 wurde der Sortenschutz für Calardis musqué vom Julius Kühn-Institut (JKI), dem deutschen Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, beantragt.

Nun kann man sich fragen, wieso damit so lange gewartet wurde. Ein Grund ist wohl, dass die Sorte im Anbau nicht ganz unproblematisch ist: Calardis musqué neigt zur Geiztraubenbildung und Verrieselung, was zu einem unregelmässigen Ertrag führt. Dazu kommt eine mässige Resistenz gegen den Falschen und Echten Mehltau, weshalb Pflanzenschutz trotzdem in grösserem Umfang nötig ist. Dr. Oliver Trapp vom Institut für Rebenzüchtung schätzt, dass bei durchschnittlichen Wetterbedingungen rund 50 Prozent der Pflanzenschutzmittel eingespart werden können. Mit der neusten Generation von PIWI-Neuzüchtungen, zum Beispiel mit denjenigen des Schweizer Rebenzüchters Valentin Blattner, kann Calardis musqué bezüglich Resistenz also nicht mithalten.

Mässige Resistenz– und Anbaueigenschaften, dafür gute Weinqualität

Gemäss Oliver Trapp vom Julius Kühn-Institut war der Hauptgrund, weshalb die Sorte trotzdem angemeldet wurde, die gute Weinqualität. «Bei unseren Blindverkostungen hat sie über Jahre hinweg immer am besten abgeschnitten», sagt er auf Anfrage. Und Winzer, welche die Sorte verkostet hatten, hätten vermehrt nachgefragt, ob sie wirklich nicht erhältlich sei. Deshalb habe man sich entschlossen, sie trotz den Negativ-Eigenschaften eintragen zu lassen.

Die Rebsorte ergibt gemäss dem JKI vollmundige Weissweine mit exotischem Bouquet. Dazu kommen Fruchtaromen wie Maracuja, Mango, Ananas und Physalis. Die Sorte soll auch eine lebendige, reife Säure und einen würzigen Muskatton mitbringen.

piwi sorte calardis musqué
© JKI

Symbolische Darstellung der Aromanuancen.

Muttersorte von «Calardis blanc»

Doch welche Genetik steckt in der Sorte? Calardis musqué ist eine Kreuzung aus Bacchus X Seyval Blanc. Bacchus wurde im Jahr 1933, ebenfalls am Geilweilerhof, gezüchtet. Die Sorte entstammt aus den europäischen Traubensorten (Silvaner x Riesling) und Müller-Thurgau. Als Resistenzpartner bei Calardis musqué diente die alte französische PIWI-Sorte Seyval Blanc, welche bereits im Jahr 1919 gezüchtet wurde.

Da Calardis musqué gute Weinqualität ergibt, war sie in den letzten Jahrzehnten ein beliebter Kreuzungspartner. So diente sie auch als Muttersorte von «Calardis blanc», einer weiteren Neuzüchtung des Julius Kühn-Instituts. Diese wurde im Jahr 1993 gezüchtet und kam im Jahr 2020 offiziell auf den Markt.

Auch Valentin Blattner hat bereits im Jahr 1986 eine Sorte aus den Muttersorten Bacchus X Seyval Blanc gezüchtet. Gemäss seinen Angabe ist diese Sorte mit dem Namen «Réselle» für ihn jedoch mittlerweile nicht mehr aktuell, da er bezüglich kombinierter Resistenz mittlerweile höhere Ansprüche hat und auf neuere, resistentere Züchtungen setzt.

Welche Eigenschaften sollte eine PIWI-Sorte bei der Markteinführung haben?

Auf den ersten Blick scheint es etwas fragwürdig, eine ältere, mässig resistente PIWI-Sorte mit unbeständigem Ertrag auf den Markt zu bringen. Bei der Markteinführung einer neuen PIWI-Sorte erwarten viele Winzerinnen und Winzer wohl eher eine Neuzüchtung mit Mehrfachresistenzen und stabilen Erträgen. Denn nur so werden die Hauptargumente der PIWIs – weniger Pflanzenschutz, weniger Arbeit, stabilere Erträge – vollumfänglich erfüllt. Wenn dies nur zum Teil der Fall ist, werden sich wohl viele überlegen, gleich bei den europäischen Sorten zu bleiben, anstatt eine «halb-resistente» PIWI-Sorte zu pflanzen.

Man kann es aber auch anders sehen, nach dem Motto «wenig Resistenz ist besser als gar keine». Immerhin kann mit Calardis musqué rund die Hälfte der Pflanzenschutzmittel eingespart werden. Und wenn der Wein die Winzerschaft begeistert und die Sorte deshalb beliebt ist, hat sie auch eine Daseinsberechtigung. Wichtig ist jedoch auch hier, dass man die Winzer genau über Eigenschaften der Sorte informiert und auch ihre Schwächen klar kommuniziert. Und für mich ist klar: Als Winzer würde ich mich wohl eher für eine andere, resistentere Sorte entscheiden, zum Beispiel Muscaris. Sie verfügt ebenfalls über die typischen Muskatnoten und ist weniger anfällig für Pilzkrankheiten.

Was hältst du von der neuen Sorte Calardis musqué? Schreibe deine Meinung in die Kommentare!

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