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Rebsorten-Revolution in Frankreich?

Blogbeitrag von Olivier Geissbühler

Wenn Olivier Zekri von der französischen Rebschule Mercier über neue Rebsorten spricht, fallen Worte wie «Revolution» und «Verschwinden» von traditionellen Sorten. Das lässt aufhorchen, denn derzeit entspricht dies noch nicht der aktuellen Situation: Viele PIWI-Sorten sind in Frankreich immer noch nicht zugelassen und nur wenige Winzer setzen auf diese robusten Sorten (Ausnahmen sind das Delinat-Forschungsweingut Château Duvivier in der Provence und das Delinat-Weingut Château Couronneau bei Bordeaux).

Doch die klare Strategie der Rebschule Mercier im Hinblick auf robuste Rebsorten lässt erahnen, welche Relevanz PIWIs künftig in Europa haben werden. Da Frankreich als traditionalistisches und konservatives Weinland gilt – auch was neue Sorten betrifft – ist diese Prognose umso eindrücklicher.

Und wenn ein solch grosser Player auf diese neuen Sorten setzt, ist das ein deutliches Zeichen für die Weinwelt: Mercier ist die grösste Rebschule Frankreichs und die zweitgrösste weltweit. Seit dem Jahr 1890 wird in Vix, nördlich von Bordeaux, Rebenmaterial hergestellt. Und seit einigen Jahren engagiert sich das Familienunternehmen gemeinsam mit Delinat und dem Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner für die Entwicklung von neuen robusten Rebsorten in Frankreich.

Hohes Tempo dank Hors-Sol- und In-Vitro-Anbau

Im Video zeigt Olivier Zekri von Mercier das Gewächshaus für Pfropfreben, wo Jungpflanzen in erdlosem Anbau («Hors-Sol») kultiviert werden. Dieses ungewöhnliche Kultursystem bietet verschiedene Vorteile, wie zum Beispiel besseren Schutz vor Krankheiten sowie ein schnelleres Wachstum. Das Ziel von Mercier ist es, die neugezüchteten, robusten Sorten des Schweizer Rebenzüchters Valentin Blattner möglichst schnell zu multiplizieren. Dazu werden die Reben auch In-Vitro («im Reagenzglas») vermehrt, um in kurzer Zeit eine maximale Menge an Holz produzieren zu können. Das Holz dieser Pfropfreben wird anschliessend veredelt, also auf eine Unterlagsrebe gepfropft.

Video: So wird eine Resistenzgenanalyse bei robusten Rebsorten gemacht

Die neuen Sorten haben alle eine hohe Resistenz gegen den Falschen und Echten Mehltau. Valentin Blattner legt bei seinen Neuzüchtungen einen hohen Wert auf pyramidisierte Resistenzen, es werden also mehrere Resistenzmechanismen miteinander kombiniert. Die neuen Sorten sollten zudem genügend Trauben produzieren und sich geschmacklich an beliebten Sorten wie Merlot oder Cabernet Sauvignon annähern. So sollen mit minimalem Pflanzenschutz Weine mit hervorragender Qualität möglich werden.

Im Rahmen des Programms «NATHY» will Mercier über 20 Sorten mit Neuzüchtungen von Valentin Blattner lancieren. Derzeit befinden sich die Sorten noch in der gesetzlichen Eintragung. Olivier Zekri hofft, dass sie bis 2026 oder 2027 für die Weinbauern auf dem Markt erhältlich sein werden. Für den europäischen Weinbau und die PIWI-Entwicklung wäre dies auf jeden Fall ein grosser Durchbruch.

Was denkst du, wie werden sich die neuen Rebsorten in Frankreich entwickeln? Schreibe deine Meinung in die Kommentare!

Transkript
Wir beobachten eine exponentiell steigende Nachfrage nach diesen Sorten. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber vor allem, weil man aufhören muss, Pestizide in den Weinbergen einzusetzen. Wir glauben, dass uns diesbezüglich eine Revolution bevorsteht und dass es in den nächsten 10-20 Jahren wichtige Veränderungen bezüglich der Sorten im europäischen Weinbau geben wird. Die Mercier-Gruppe ist eine Rebschule, wir stellen seit dem Jahr 1890 Rebenmaterial her. Hier sind wir auf dem Gelände in Montreuil, in einem Gewächshaus für Pfropfreben für die Herstellung von Jungpflanzen, in erdlosem Anbau. Es ist eine etwas ungewöhnliche Kultur, bei der wir in einem Jahr hunderte Pfropfreiser ernten können, um im nächsten Jahr Setzlinge zu machen. Der Vorteil dieser Anbaumethode ist in erster Linie, die Pflanze besser vor Krankheiten schützen zu können. Hier gibt es keinen Regen, also gibt es kein Risiko für Krankheiten wie Falscher und Echter Mehltau. Das ist leichter zu kontrollieren. Ausserdem wächst es viel schneller. Die Pflanzen erhalten alle nötigen Nährstoffe und dank der warmen Temperatur wachsen die Pflanzen schneller. Man kann also viel schneller Sorten - und insbesondere neue Sorten - in Produktion bringen. In unserem Projekt, das sich mit der Herstellung von neuen Sorten befasst, wir nennen es "NATHY", kreieren wir neue resistente Sorten mit Valentin Blattner. Dafür ist dieses Anbausystem sehr nützlich, weil man so viel schneller Pflanzen produzieren kann als draussen. Für die Zukunft ist es unser Ziel, sehr schnell so viele Sorten wie möglich zu produzieren. Hier in diesem Gewächshaus haben wir eine Kapazität, um etwa 200'000 Rebstöcke zu pflanzen, die mehr als 15 Millionen Pfropfreben produzieren können. Unser Ziel ist künftig, mit den neuen resistenten Sorten in der Lage zu sein, dieses Pflanzenmaterial sehr schnell zu produzieren. Was wichtig ist bei den resistenten Sorten dieses Programms, ist, dass wir Sorten anstreben, die eine sehr hohe Resistenz gegen die Hauptkrankheiten haben, also Falscher und Echter Mehltau, Black Rot und alle anderen Pilzkrankheiten. Dabei setzen wir auf pyramidisierte Resistenzen: Wir versuchen, immer mehrere Resistenzgene zu haben. Heute, mit den neuesten Sorten von Valentin, haben wir mehrere Resistenzfaktoren gegen diese Krankheiten, Wir haben 2-3 gegen den Falschen Mehltau, 3-4 gegen den Echten Mehltau, also ziemlich starke Resistenzen. Und wir suchen Sorten, die genügend Trauben produzieren. Wir möchten Mindesterträge um die 80, 90 Hektoliter pro Hektar haben. Damit der Produzent genügend Trauben produzieren kann. Natürlich kann er die Ertragsmenge nachträglich im Weinberg reduzieren, aber wir wollen Sorten, die genügend Trauben produzieren. Und dann suchen wir selbstverständlich nach Sorten, die nicht Merlot oder Cabernet Sauvignon sind, sich jedoch diesen Sorten geschmacklich annähern. Also suchen wir Sorten, die ebenso gute Weine machen wie die Sorten, die wir heute kennen. Wir suchen nicht unbedingt nach neuen Aromen, sondern eher nach solchen, die den bekannten Sorten ähneln. Hier in diesem Gewächshaus und in der Produktion von Mercier werden über 1600 Kombinationen mit mehr als 400 Sorten produziert. Im Programm NATHY lancieren wir über 20 Sorten mit Genetik von Valentin, sie sind derzeit in der gesetzlichen Eintragung. Wir hoffen, dass wir diese Sorten bis 2026 oder 2027 für Weinbauern auf den Markt bringen können. Hier befinden wir uns in einem Züchtungsraum. Auch hier wird versucht, den Wachstumsprozess der Pflanzen zu beschleunigen. Wenn man Traubenkerne von neuen Sorten hat, die gesät werden, bringen wir sie sofort in diesen Raum, damit sie so schnell wie möglich wachsen. Man steckt sie in solche Behälter, um die Feuchtigkeit und Wärme gut zu halten. Und nach ein paar Wochen, wenn wir Pflanzen haben, die etwas grösser und stärker sind, öffnen wir die Behälter und lassen sie an der freien Luft. Aber immer noch mit einer Temperatur von 25-26 Grad, viel Feuchtigkeit um sie so schnell wie möglich stärken zu können. Und diese Pflanzen hier gehen dann in das Gewächshaus, um Holz zu produzieren. Aufpfropfen bedeutet, dass man Traubensorten wie Merlot, Cabernet oder unsere neuen resistenten Sorten zusammenfügt mit einer Unterlagsrebe. Hier schneiden wir mit einer Maschine in Omegaform die Pfropfrebe und verbinden sie so mit der Unterlagsrebe. So stellen wir sicher, dass die beiden fest miteinander verbunden sind. Und dann werden sie für 15 Tage lang in einen warmen, feuchten Raum gebracht. In den 15 Tagen bilden sich dann neue Zellen und neues Pflanzengewebe und die Pflanzen wachsen zusammen. Hier haben wir eine Pflanze, die gepfropft und mit Wachs versiegelt ist, sie kann nun im Topf oder Beet gepflanzt werden. Hier sind wir im "Centre Novatech", im Labor der Mercier-Gruppe. Hier werden Analysen durchgeführt und Forschung zu neuen Rebsorten und Gesundheitsaspekten gemacht. Wir machen viele Prüfungen, um Krankheiten zu kontrollieren. Und hier befinden wir uns in einem Raum für In-vitro-Kulturen. Hier bauen wir Weinreben auf künstlichem Nährboden an. Das ist ein Substrat mit Zucker und Vitaminen. Die Rebe hat alles, was sie braucht und wächst über das ganze Jahr hinweg. Hier kann man im Sommer, Frühling, Winter und Herbst Weinreben anpflanzen. Es ermöglicht uns auch hier, die Weinreben schneller zu vermehren, weil sie ganzjährig weitergezüchtet werden. Hier ist ein Topf mit einem Dutzend kleinen Pflanzen, die seit einigen Monaten wachsen. Man kann sie abschneiden, wieder auf ein anderes Substrat setzen und den Zyklus wiederholen, sie wieder abschneiden und auf diese Weise die Pflanzen mehrfach multiplizieren, um sie anschliessend im Freien akklimatisieren zu können. Und auch hier mit einer strengen Gesundheitskontrolle. Hier ist sichergestellt, dass es keine Ansteckung mit Viren gibt, was sehr wichtig für uns ist. Wir achten sehr darauf, dass es keine Infektionen mit Viren gibt. Hier befinden wir uns im Raum für Molekularanalysen. Hier werden die Analysen durchgeführt, um Marker und Resistenzgene zu identifizieren. Wenn wir unsere Jungpflanzen haben, die ein bisschen gewachsen sind, sobald wir ein paar Gramm Blätter haben, können wir diese Blätter entnehmen und eine DNA-Extraktion durchführen. Diese DNA wird in Röhrchen wie dieses gegeben und gehen dann zur Probenentnahme. Dann wird es in diesem Thermocycler analysiert, und es werden PCR- oder DNA-Sequenzierungen gemacht. Und so können wir zum Beispiel nach Genen suchen, die Resistenzen gegen Mehltau-Krankheiten aufweisen. Und sobald wir 2-4 Resistenzgene gegen diese Krankheiten haben, behalten wir diese Pflanzen und setzen mit ihnen den Produktionsprozess fort. Es gibt viel Unbekanntes beim Anbau dieser neuen Sorten, aber eines ist sicher: Sie haben enorme Vorteile für die Winzer. Erstens die Tatsache, dass man Pflanzenschutz-Behandlungen enorm reduzieren kann, was auch die Kosten enorm senken wird. Die Kosten der Produkte und für das Befahren der Weinberge. Dazu sind es Weinreben, die natürlicherweise auch mehr Trauben produzieren. Also im Normalfall sollten wir grössere und stabilere Ertragsmengen haben. Zudem sind es Sorten, die wir nach verschiedenen Kriterien selektieren - sie stehen besser da, sodass man sie weniger festbinden muss und man hat so weniger Arbeit im Weinberg. Das ist auch sehr interessant für den Winzer aus technischer Sicht im Weinberg. Heute beträgt die Produktion von resistenten Sorten bei Mercier rund 5% des Gesamtvolumens. Wir produzieren pro Jahr etwa 20 Millionen Weinreben. 5% sind zwar nicht sehr viel, aber trotzdem sind sie ziemlich wichtig. Und sie sind deutlich am wachsen: d. h. wir beobachten eine exponentielle Nachfrage nach diesen Sorten aus einer ganzen Reihe von Gründen, aber hauptsächlich, weil man aufhören muss, Pestizide in den Weinbergen einzusetzen. Und unsere Strategie für die nächsten Jahre ist nun, so viele neue Sorten zu entwickeln wie möglich. So reagieren wir auf die Nachfrage der Weinbauern – damit diese Wein ohne Pestizide herstellen können. Also wir denken eindeutig, dass uns diesbezüglich eine Revolution bevorsteht, und dass es in den nächsten 10-20 Jahren wichtige Veränderungen bezüglich der Sorten im europäischen Weinbau geben wird. Das heisst, die Sorten, die wir heute verwenden, werden nach und nach verschwinden und durch neue ersetzt werden. Falls – und nur falls – man es schafft, Sorten zu haben, die in Bezug auf die Qualität gleichwertig sind und besser im Bezug auf die Krankheitsresistenz.

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