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Die Rebsorten von morgen: Vorteile von PIWIs

Mit dem schnell ändernden Klima haben die traditionellen, europäischen Traubensorten immer mehr Mühe. Dazu kommt die Empfindlichkeit gegenüber eingeschleppten Krankheiten, was den Pflanzenschutz sehr aufwändig macht. Für Winzerinnen und Winzer ist es jedes Jahr eine riesige Herausforderung, im Herbst gesunde Trauben mit genügendem Ertrag zu ernten zu können. Bei extremen Wetterverhältnissen und/oder hohem Krankheitsdruck der Reben steht schnell die Existenzgrundlage eines Weinguts auf dem Spiel: Nämlich gesundes, hochwertiges Traubenmaterial. Und genau hier kommen die Vorteile von PIWIs ins Spiel:

  1. Vorteile im Weinberg
    Bei pilzwiderstandsfähigen Traubensorten (kurz PIWIs) werden natürliche Resistenzmechanismen von amerikanischen oder asiatischen Wildreben in traditionelle Rebsorten eingezüchtet. Somit entsteht eine neue Sorte, die im Idealfall sehr robust gegenüber Pilzkrankheiten ist und zudem gut schmeckt. Konkret bedeutet das weniger Arbeit für den Winzer. Er muss weniger durch die Reben fahren (oder gehen) und mühsam Pflanzenschutzmittel ausbringen. Das resultiert wiederum in einer massiven Kosteneinsparung (Personalkosten, Benzinkosten, Pflanzenschutzmittelkosten, Maschinen). Zudem fördert er ein gesundes Bodenleben im Weinberg, weil weniger Durchfahrten und einere sanftere Bewirtschaftung der Weingärten möglich sind. Und das Beste: Trotz weniger Arbeit kann man bei den neuen Sorten mit stabileren Erträgen und gesünderem Traubenmaterial rechnen. Ihre Genetik ist den aktuellen klimatischen Gegebenheiten besser angepasst.
  2. Vorteile im Glas
    Klar: Bei Konsumentinnen und Konsumenten gibt es immer noch Vorurteile gegenüber robusten Rebsorten, was die Weinqualität betrifft. Und diese sind sicher nicht komplett unberechtigt, denn PIWI-Weine können ungewohnte Aromen mitbringen und der Umgang im Keller mit diesen neuen Sorten ist nicht immer einfach. Doch es wurde in verschiedenen Blindverkostungen bewiesen, dass das Qualitätspotenzial von PIWI-Sorten vergleichbar ist mit dem von europäischen Traubensorten. PIWI-Sorten eröffnen neue Geschmackshorizonte und Stilistiken, die man vielleicht vorher noch nicht kannte. PIWI-Weine werden oft naturnah und frei von chemisch-synthetischen Pestiziden produziert. Es kann also mit gutem Gewissen ein Wein getrunken werden, der ökologisch hergestellt wurde.
  3. Vorteile für die Umwelt
    PIWI-Sorten erlauben es, einen Weinberg ohne viel Eingriffe von aussen natürlich gedeihen zu lassen. Wenn zudem auf eine grosse Biodiversität geachtet wird, sind dies die besten Voraussetzungen für ein gesundes Ökosystem und reiches Bodenleben. Wenn komplett auf chemisch-synthetische Pestizide und auch biologische Pflanzenschutzmittel nur in sehr geringen Mengen ausgebracht werden, bleibt der Boden, das Grundwasser und umliegende Flächen frei von toxischen Chemikalien. Und auch der CO2-Fussabdruck ist bei PIWI-Weinen oft deutlich geringer als bei herkömmlichen Sorten (siehe Vorteile im Weinberg).

Der Weg hin zu einer neuen Traubensorte ist lang…

Eine erfolgreiche Traubensorte zu züchten, die sämtliche gewünschten Eigenschaften aufweist, ist jedoch äusserst schwierig. Oft sind über 10’000 Kreuzungen nötig, bis eine Neuzüchtung sämtliche Anforderungen erfolgt und als neue Sorte angemeldet wird. Der gesamte Prozess von der Züchtung einer neuen Sorte bis zur Marktreife dauert oft über 20 Jahre. Das sind die wichtigsten Schritte:

  1. Züchtung
    Jeweils im Frühsommer, kurz vor der Rebenblüte, wird eine Rebenblüte gezielt mit dem Pollen einer resistenten Traubensorte bestäubt. Dafür werden mit einer Pinzette die männlichen Teile der Blüte, also die Blütenkappe mit den Staubbeuteln, entfernt. Anschliessend wird ein Papiersack mit dem männlichen Pollen über diese Blüte gestülpt und geschüttelt, damit sie bestäubt wird. Der Papiersack wird um die Blüte herum befestigt und über den Sommer hinweg wachsen darin Trauben. Diese enthalten Kerne und neue DNA, welche allesamt das Potenzial für eine neue Sorte haben.
  2. Selektion
    Die Traubenkerne werden im Herbst ausgewaschen und anschliessend in einem Treibhaus gepflanzt. Im Frühjahr werden die Jungpflanzen, welche über den Winter gewachsen sind, auf einem grossen Versuchsfeld gepflanzt. Nun beginnt die Selektion. Es wird geprüft, wie krankheitsresistent die Neuzüchtungen sind und ob sie ganz ohne Pflanzenschutzmittel überleben. Die meisten Jungreben überleben diesen ersten Sommer nicht und sterben ab. Sie sind zu wenig resistent, um als neue PIWI-Sorte bestehen zu können. Nur einzelne, sehr resistente Pflanzen überleben diese Selektion und halten dem hohen Krankheitsdruck im Versuchsfeld stand. Von diesen Sorten werden im nächsten Jahr die ersten Beeren gelesen. In einer Mikrovinifikation wird aus einer sehr kleinen Menge das erste Mal Wein aus dieser Sorte hergestellt. Somit kann geprüft werden, ob die neue Sorte auch geschmacklich für die Weinherstellung geeignet ist.
  3. Sortenprüfung/-anmeldung
    Sofern die neue Sorte sämtliche Anforderungen bezüglich Resistenz, Wuchs und Geschmack erfüllt, muss sie offiziell als neue Sorte angemeldet werden. Erst wenn sie an verschiedenen Standorten über mehrere Jahre hinweg beobachtet wurde und deutlich unterscheidbar von anderen Rebsorten ist, gilt sie als neue Sorte. Auch die Namensfindung für eine neue Sorte ist meistens nicht einfach. Einerseits sollte sie einen Wiedererkennungswert haben, andererseits muss sie unterscheidbar von anderen Sorten sein. Erst wenn all diese Faktoren geklärt sind, darf die Sorte bei den Rebschulen vermehrt und anschliessend von den Winzern gepflanzt werden.

Hast du Fragen zur Züchtung einer neuen Rebsorte? Schreibe sie in die Kommentare!

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